Grappa und die Toten vom See
Papier gefunden, auf dem der Bekennerbrief getippt worden ist. Der Mann wurde vorläufig festgenommen. Er bestreitet natürlich, mit der Bombe etwas zu tun zu haben.«
»Und was sagt er zu dem Papier?«
»Nichts. Er schweigt und macht damit das Schlaueste, was er tun kann. Denn solches Papier gibt es auch in einem Versammlungsraum, in dem Kameradschaftsabende stattfinden. Mal sehen, ob der Richter die Haftgründe ausreichend findet. Aber ich befürchte, dass wir Schaberl wieder laufen lassen müssen – früher oder später.«
»Darf ich das schreiben?«
»Ja. Schaberls Anwalt hat ohnehin angekündigt, die Medien über den brutalen Willkürakt der Polizei zu informieren.«
Ich bedankte mich und fing an zu tippen.
SS-Eddi festgenommen: Ist Schaberl der Bombenbastler vom Bahnhof?
Altnazi Eddi Schaberl (60) sitzt in Untersuchungshaft. Die Behörden prüfen, ob er mit dem missglückten Bombenanschlag am Bierstädter Hauptbahnhof zu tun hat. In Schaberls Wohnung wurden Hinweise auf eine Beteiligung oder Mitwisserschaft gefunden. Er selbst schweigt.
Damit ist der Nazi-Dinosaurier Schaberl wegen rechtsextremer Straftaten erneut in den Fokus der Ermittler geraten. Schaberl hat eine jahrzehntelange rechtsradikale »Karriere« hinter sich. Er wurde immer wieder wegen verschiedener Delikte verurteilt, unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen. Lange Zeit galt er als einer der Anführer der Bierstädter Neonaziszene. Immerhin konnte Schaberl nach Einschätzung von Extremismusforschern wegen der Vielzahl von Strafverfahren und Haftstrafen keinen nennenswerten Einfluss auf die Neonaziszene über Nordrhein-Westfalen hinaus entfalten.
Will Altnazi Schaberl durch die Rohrbombe am Bahnhof seinen braunen Kameraden zeigen, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört? In dem Bekennerschreiben der Attentäter wird der Krieg gegen unsere Staatsform beschworen. »Die Demokraten bringen uns den Volkstod, und wer sich nicht wehrt, macht mit. Wir wehren uns – auch mit Gewalt. Wir erklären den Demokraten den totalen Krieg!«
Im Archiv des Tageblattes fand ich einen Artikel, den ich selbst vor Jahren geschrieben hatte. Damals war SS-Eddi fünfzig geworden und hatte mit seinen Kumpanen ausschweifend in seinem Partykeller gefeiert. Als nach »Sieg-Heil«-Rufen die Polizei kam, schlugen die Gäste mit Flaschen und Holzlatten auf die Beamten ein. Mehr als einhundert Neonazis hatte man damals festgenommen. Die Anklage warf Schaberl vor, seine Gäste angestachelt zu haben.
Im Gerichtsverfahren stellte sich Schaberl als Opfer eines ungerechtfertigten Polizeieinsatzes dar. Man habe ihn zu Boden geworfen und ins Gesicht getreten. Er habe nur mit Mühe den Kopf heben und so verhindern können, im Löschwasser der Feuerwehr, die die Party geflutet hatte, zu ertrinken. Als Spätfolge seiner Festnahme leide er noch immer unter einem Taubheitsgefühl – im rechten Daumen. Ausgerechnet.
Der Artikel war mit Fotos garniert, die uns damals ein freier Fotograf verkauft hatte. Sie dokumentierten das Chaos im Partykeller. Das gesamte Mobiliar war demoliert, zahlreiche Bierflaschen zertrümmert, ein Foto des Führers hing schief an der Wand. Ein anderer Schnappschuss zeigte die Nazis ziemlich derangiert: gefesselt mit Handschellen, im Schwitzkasten der Spezialeinsatzkräfte und festgeschnallt auf einer Trage. Ich schaute genauer hin. Einer der Rechten schleuderte den Nazigruß in die Kamera. Ich erkannte Daniel Schatto, zehn Jahre jünger, ein Glatzkopf mit Babyspeck im Gesicht und fettem Grinsen. Neben ihm SS-Eddi.
Dieses Bild passte gut zu dem Artikel. Ich wusste auch schon eine Unterzeile.
Braune Männerfreundschaft: SS-Eddi und der Auftragskiller vom Lago Maggiore.
Später schaute ich im Redaktionsordner nach, was Bärchen Biber zustande gebracht hatte. Laut Landeskriminalamt war die Rohrbombe tatsächlich extrem gefährlich gewesen:
Die Untersuchungen sind aber noch nicht abgeschlossen. Die Materialien hätten einen großen und gefährlichen Feuerball mit beachtlicher Sprengkraft und großer Splitterwirkung entfachen können. Die Polizei wertet nun Videoaufzeichnungen der Deutschen Bahn aus und fragt: Wer hat eine oder mehrere Personen beobachtet, die zur fraglichen Zeit mit einem schwarzen Koffer den Bierstädter Hauptbahnhof betreten und/oder den Koffer an Gleis 2 abgestellt haben? Die Bundesanwaltschaft hat für sachdienliche Hinweise eine Belohnung
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