Grappa und die Toten vom See
bald aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Er hat mit dem missglückten Anschlag am Hauptbahnhof nichts zu tun. Die Beweise reichen nicht aus, ihn weiter in Haft zu halten.«
Der Name Bernd ist auch keine Lösung
»Dieser widerliche Wicht«, ereiferte ich mich auf der Rückfahrt. »Ich wünsche mir, dass der den SS-Eddi mal von der ganz unangenehmen Seite kennenlernt.«
»Bist du etwa ausländerfeindlich, Grappa-Baby?«, fragte Wayne.
»Nein, nur Ghafouri-feindlich. Wenn er Bernd statt Hassan heißen würde, fände ich ihn auch zum Kotzen.«
»Jetzt hab ich es verstanden«, grinste der Bluthund. »Du verteilst deine Sympathie unabhängig von Abstammung und Religion.«
In der Redaktion legte mir Susi ein Fax auf den Tisch.
»Das interessiert dich bestimmt«, meinte sie und traf damit voll ins Schwarze.
Neue Partei Die Rechte vom Bundeswahlleiter anerkannt – hieß es da.
Der Vorsitzende der ›neuen‹ Partei war ein bekannter Hamburger Neonazi, SS-Eddi wurde als Bierstädter Kreisvorsitzender benannt. Als Ziele gab die Partei die Wahrung der Deutschen Identität, ein Werbeverbot in ausländischen Sprachen, eine Volksabstimmung bei Rechtschreibreformen, das Zurückdrängen der Amerikanisierung sowie die Aufhebung der Duldung von Ausländern an.
Die Nazis, die den vom Innenminister verbotenen Gruppen und Kameradschaften angehörten, hatten eine Partei gegründet, um sich neu aufzustellen. Ein kluger Schachzug, dachte ich. Parteien zu verbieten ist ungleich schwieriger als neonazistische Singspielkreise aufzulösen.
Ich bekam in der Redaktionskonferenz vierzig Zeilen zugeteilt. Schnack bat mich um Zurückhaltung. »Wir wollen diesen Rechtsradikalen nicht zum Märtyrer machen.«
»Darauf wäre ich alleine nicht gekommen«, grummelte ich. »Ich hatte eigentlich vor, ein Kommando Befreit SS-Eddi zu gründen und ihn mit Waffengewalt aus der Isolationshaft zu holen.«
Einige Kollegen verstanden meinen Sarkasmus, sie erlaubten sich ein verhaltenes Lachen. Nur Margarete Wurbel-Simonis’ Gesicht zeigte Schockstarre.
»Alles ist gut«, winkte ich ihr zu. »War einer meiner misslungenen Scherze.«
»Ihnen ist alles zuzutrauen«, krächzte die Kulturredakteurin. »Auch Gefangenenbefreiung.«
»Stimmt. Grappa frisst kleine Kinder zum Frühstück«, beteiligte sich Harras an der anspruchsvollen Unterhaltung. »Und sie trennt ihren Müll nicht.«
Schnack schloss das Thema in barschem Ton: »Es reicht! Jeder von Ihnen weiß, was heute auf dem Programm steht. Also bitte an die Arbeit, meine Damen und Herren!« Er erhob sich. »Und nun entschuldigen Sie mich – ich habe einen Termin beim Polizeipräsidenten. Und danach schreibe ich einen Kommentar zur Gründung der neuen Partei.«
Harras, Wayne und ich zogen uns zu einem zweiten Frühstück in die Kantine zurück. Der Chef hatte sich aus dem Haus bewegt und wir hatten sturmfreie Bude. Doch eine ausgelassene Stimmung wollte nicht aufkommen.
»Weißt du, Grappa«, sinnierte Harras. »Als ich plante, mir einen Jeep zu kaufen, habe ich im Straßenverkehr einen Jeep nach dem anderen gesehen. Seitdem die Neonazis in Bierstadt so viel von sich reden machen, vermute ich überall ihre Unterwanderung. Auch im Sport. Die Sprüche, die gewöhnlich beim Fußball fallen, sind nicht ohne. Bisher wurde das immer verniedlicht. Letztens rief ein Zuschauer einem Schiri zu: Pfeif richtig, sonst ziehen wir dir die Vorhaut runter, du Jude! Und wenn ein schwarzer Spieler auftritt, werden Affenlaute nachgemacht.«
»Unternehmen denn die Vereinsvorstände nichts dagegen?«, fragte ich.
»Nicht wirklich. FIFA-Chef Blatter hat Rassismus im Fußball immer bestritten. Er schiebt alles auf die Hitze des Gefechts, der alte Depp.«
Ich hörte Stöckel auf den Kantinenfliesen. Sie gehörten zu Sarah.
»Ein Herr Motte bittet dringend um Rückruf«, berichtete sie und reichte mir einen Notizzettel mit einer Telefonnummer.
»Manfred oder Max Motte?«, fragte ich.
»Keine Ahnung, Grappa. Das musst du selbst rauskriegen. Recherche.« Mit diesen Worten stöckelte die Sekretärin davon.
»Mehr kannst du nicht verlangen«, grinste Wayne. »Immerhin hat sie die Nummer aufgeschrieben.«
»Ich bin ja schon glücklich«, seufzte ich. »Würden die Herren mich entschuldigen?«
Es war Max Motte, der mich sprechen wollte.
»Auch wenn Sie mir nicht glauben, dass ich die unrühmliche Vergangenheit unserer Familie aufdecken möchte, habe ich eine Information für Sie«, begann er.
»Eine Info zum
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