Grappas Gespuer Fuer Schnee
gestohlen hat?«
Kleist war zum Herd gegangen, um die Eier zu beobachten. Prompt klingelte die Uhr. Er nahm einen Löffel, fischte mein Ei aus dem Wasser und hielt es unter fließendes kaltes Wasser.
»Er hat behauptet, dass dieses Geld eine Abfindung für Sandra Becker war. Aber ich glaube das natürlich nicht. Reine Schutzbehauptung. Sie hat ihn wohl erpresst.«
»Womit?«
»Mit dem Wissen um die Sexpartys im Rathaus – glaube ich. Aber er gibt es noch nicht zu. Sie wollte die Sache vielleicht an die Öffentlichkeit bringen«, fuhr Kleist fort. »Also hat Madig ihr das Geld gegeben. So sehe ich die Sache.«
»Reicht das, um ihn lange in Untersuchungshaft zu nehmen?«, fragte ich.
»Wir haben auch eine Waffe gefunden. Ein Gewehr Heckler & Koch SL7 mit Zielfernrohr! Die Marke, die zu dem Mord passt.«
»Und wo?«
»Im Büro der unsere Stadt regierenden Partei.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Kann man das Gewehr mit Madig in Verbindung bringen?«
»Bisher nicht«, erklärte er. »Ich glaube, jetzt ist mein Ei auch fertig.«
Er nahm den Topf von der Flamme, goss das Wasser aus und ließ kaltes Wasser über das Hühnerprodukt laufen.
»Er besitzt ein Landhaus in Templin. Aber ich nehme an, das wisst ihr.«
»Das Landhaus im Osten. Lady Coras Ausflug. Du hast darüber geschrieben. Darum hat sich noch niemand gekümmert. Warte, ich telefoniere einmal kurz.«
Er ging in den Flur. Ich hörte ihn in kurzen und klaren Worten Anweisungen geben. Ich riss die Brötchentüte auf. Jetzt erkannte ich das Design. Richtig. Kleist war bei der Bäckerei Schmitz eingekehrt. Das würde mir ein hochnotpeinliches Verhör durch die Bäckerin einbringen.
»Ich soll dich übrigens von Frau Schmitz grüßen«, sagte Kleist, der zurückgekehrt war. »Kennst du diese Frau eigentlich schon länger? Die kann ja sehr direkte Fragen stellen. Dagegen ist meine Verhörtechnik ein harmloser Kaffeeklatsch.«
»Tatsächlich?«, grinste ich. »Mir gegenüber ist sie immer ausgesprochen dezent und zurückhaltend – also eher schüchtern. Dann musst du wohl ihr Interesse erregt haben. – Nehmt ihr euch Madigs Hütte im Osten jetzt auch vor?«
»Ja, sicher. Die Kollegen vor Ort kümmern sich drum.«
»Dann läuft ja alles bestens. Viel zu einfach, oder?«
Kleist lächelte. »Das Einfache muss nicht zwangsläufig das Falsche sein. Aber wir werden sehen, was die Untersuchung der Waffe ergibt und die Vernehmungen der Mitarbeiter. Und jetzt habe ich Hunger.«
Versonnen sah ich ihm zu, wie er einige Messer auf Schärfe prüfte, eins wählte und dann ein Brötchen aufschnitt. Es entstand eine absolut gerade Fläche. Mein Hirn wollte nicht an die schnelle Lösung glauben.
»So blöd ist doch selbst Madig nicht, dass er eine Mordwaffe im Parteibüro versteckt«, überlegte ich. »Was sagt er zu dem Waffenfund?«
»Er behauptet, was alle in einer solchen Situation sagen: dass er das Gewehr noch nie gesehen hat. Dass er nicht weiß, wie es dahingekommen ist«, antwortete Kleist. »Kannst du mir bitte mal die Butter reichen?«
»Wenn er der Mörder ist, dann muss er mir den Film in die Tasche gesteckt haben. Er wäre doch auf dem Markt gesehen worden! Dann der Anruf auf meinem Handy. Es war definitiv nicht seine Stimme.«
»Denk an den Komplizen. Die waren zu zweit auf dem Dach. Auch der andere kann dir die DVD zugesteckt haben.«
»Es passt trotzdem nicht.« Ich nahm das Messer in die Hand, um das Ei zu köpfen. »Du hast selbst gesagt, dass der Täter Kontakt zu mir gesucht hat, um in der Öffentlichkeit groß rauszukommen. Das passt nicht zu Madig. Der ist eine hinterhältige Type. Einen Mord trau ich ihm schon zu, ja. Aber nicht diese Art, damit umzugehen.«
Ich holte zum Schlag aus, doch Kleist fasste meine Hand und hinderte mich, ihn auszuführen.
»Ist das ein Polizeigriff? Verhinderung des Köpfens eines unbescholtenen Eis?«
»Maria? Könntest du dieses Ding benutzen, das ich dir geschenkt habe?«, sagte er.
»Das Ding funktioniert nicht«, fauchte ich. »Die Kugel, die von oben runtersaust, ist nicht schwer genug, um das Metallhütchen dazu zu bringen, dass die Schale mehr als einen halben Millimeter angekratzt wird. Und wenn ich die Kugel mehrmals fallen lasse, wird die Schale im unteren Bereich völlig zerstört. Und wenn die Schale des Eis etwas dünner ist, dann saugt sich das ganze Ei in dem Metallhütchen fest und geht nicht mehr raus. Glaub mir, ich habe sämtliche achtunddreißig Variationen durchgespielt. Das
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