Grappas Gespuer Fuer Schnee
einer Forderung, die wir an den Polizeipräsidenten der Stadt und den Innenminister des Landes stellen.«
Rüttelstein-Siegerts Lächeln gefiel mir nicht.
»Wir verlangen die sofortige Abberufung des leitenden Ermittlungsbeamten Dr. Friedemann Kleist. Unsere Vorwürfe: Polizeiwillkür und unerlaubte Kontakte zur Presse.«
Rums.
Das galt mir.
Im Saal herrschte plötzlich gespannte Ruhe.
»Damit Sie auch wissen, was ich meine«, sagte Rüttelstein-Siegert, »werde ich Ihnen einige Fotos zeigen. Bitte!«
Das letzte Wort richtete sich an eine Genossin, die einen Laptop einschaltete, der mit einem Projektionsgerät verbunden war. Und schon erschien das erste Foto auf der Wand: Es zeigte Friedemann Kleist mit einer Brötchentüte vor der Bäckerei Schmitz.
Mir wurde schlecht.
»Kleist holt Brötchen – wie spannend!«, tönte es aus der Journalistenrunde.
»Warten Sie ab, wie es weitergeht!«
Das zweite Foto zeigte Kleist vor meinem Haus.
»Das nächste, bitte!«
Das dritte Foto zeigte mich, wie ich ihm die Tür öffnete. Das vierte Foto zeigte uns in einer geschwisterlichen Umarmung.
»Das bist ja du!«, staunte Milva Grandi.
»Und jetzt die andere Serie«, forderte Rüttelstein-Siegert.
Ein neues Foto wurde an die Wand geworfen. Milva Grandi am Steuer eines Wagens, daneben Kleist. Danach: Milva und Kleist, Kopf an Kopf. Kuss auf die Wange. Kleist steigt aus.
»Das bist ja du!«, staunte ich. Nur deine Gefühle nicht zeigen, Grappa, dachte ich und lächelte tapfer.
Zwischenrufe: »Der Mann macht es richtig!«, »Schmierentheater!«, »Was beweist das schon?«.
Der Anwalt gab ein Zeichen zur Beendigung der Fotoschau. »Was das beweist?«, schnarrte er. »Das beweist, dass Herr Dr. Friedemann Kleist seine – sagen wir mal – außerordentlich engen Kontakte zu zwei Damen der Presse dazu missbraucht hat, meinen Mandanten unter Druck zu setzen. Wir haben dies in ausführlicher Weise dokumentiert und dem Polizeipräsidenten und dem Innenminister zukommen lassen.«
Ich konnte nichts dagegen machen, mir war speiübel. Mein positives Gefühl Kleist gegenüber wollte Vertrauen schenken, aber die Eifersucht lechzte danach, ihn zu verteufeln. Hatte ich nicht Grund dazu? Er hatte gelogen, als er sagte, Milva Grandi nicht näher zu kennen. Dabei hatte er in ihrem Auto gesessen und die beiden hatten sich geküsst.
»Grappa! Was ist los?« Pöppelbaum versetzte mir einen Stoß auf den Arm. »Es können Fragen gestellt werden. Willst du nicht was sagen?«
»Darauf kannst du Gift nehmen!«
In mir stieg eine ungeheure Wut auf. Sie fegte alle kleinmütigen Gedanken aus meinem Kopf. Und sie wollte raus!
»Was sich hier gerade abgespielt hat, ist die größte Freak-Schau, die ich jemals besucht habe!« Ich haute auf den Tisch, dass die Wassergläser klirrten. »Ein drogensüchtiger und sexbesessener Politiker, der von einem Bilderfälscher und Pornofilmer medial beraten wird, versucht, den Ruf eines Kriminalbeamten, der seine Arbeit ernst nimmt, zu demontieren! Glauben Sie wirklich, Herr Madig, dass wir auf diese dumme Komödie reinfallen?«
»Hast du denn nun was mit dem Kleist, Grappa?«, fragte der Kollege vom Radio, fett grinsend.
»Das geht dich einen Dreck an!«
Raunen und Gelächter.
Nun stieg Milva Grandi in die Bütt. »Ich habe mit Herrn Kleist genauso wenig etwas wie meine Kollegin hier.«
Ich legte die Hand vor die Stirn und verbarg meinen Blick.
Sie zeigte auf Rudi Gies: »Der Herr Gies ist ein bekannter Bilderfälscher. Rudi, du hast doch schon die Fotos gefälscht, die zum Rücktritt des Oberbürgermeisters geführt haben. Komisch, dass ich das Kleid nicht kenne, das ich auf dem Foto anhabe. So ein Teil gibt es in meinem Kleiderschrank nicht.«
Nun war ich dran.
»Genau! Herr Gies, bei mir haben Sie auch danebengefälscht. Wenn ich einen attraktiven Mann umarme, sieht das erheblich unzüchtiger aus als das, was Sie da für die Projektion abgeliefert haben.«
Wieder Lachen.
Madig warf seinem Anwalt einen unsicheren Blick zu. Der gab den Blick an Rudi Gies weiter. Der wiederum betrachtete die Maserung des Tisches mit großem Interesse.
»Der Vorwurf der unmenschlichen Verhörmethoden bleibt aber bestehen!« Rüttelstein-Siegert wollte sich noch nicht geschlagen geben. »So etwas ist in einem demokratischen Staat nicht erlaubt. Und dagegen werden wir uns zu wehren wissen.«
Niemand hörte mehr zu. Die ersten Kollegen packten ihre Arbeitsutensilien ein.
»Das war knapp«, urteilte Pöppelbaum.
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