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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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Wehgeschrei.
Gotisch nachgewiesen als wai. Ein Naturlaut seit Menschengedenken, weshalb er
als Lautsprecher für jeglichen Schmerz in die Literatur fand: ihr immerwährendes
Lamento.
    Aus
wai, wei wurde we. In Luthers sächsischer Kanzleisprache, die uns als
Bibeldeutsch immer noch nährt, findet sich wehe im Wechsel mit weh. Zuvor steht
bei Hans Sachs »pauchwe« und viel früher bei Hartmann von Aue »sie sprach: we
dir, vil übler tot!« Und wenn Klopstock ruft, »weh dem erobrer, welcher im
blute der sterbenden geht«, sagt Lessing: »ach, überweh mir armen!« und Opitz,
»au weh mir!« Hingegen spottet Goethe: »ihr liebt und schreibt sonette! weh der
grille«. Und in Wagners Walküre gibt »weh, mein Wälsung!« einen Stabreim mehr
her. Bei Mörike steigt sogar ein »siebenfaches wehe aus dem stillen
wasserreich«. Und als Schlegel Shakespeare übersetzte, hieß es von einem
gewissen Green »du bist wehmutter meines wehs.«
    Ferner
gehen ach und weh Hand in Hand, so im Kirchenlied Paul Gerhardts, »dein blöder
sinn geht offt dahin, ruft ach und weh.« Desgleichen paaren sich wohl und weh.
Hinzu kommen des Weibes Wehen bei der Geburt. Und Schiller sagt den
Troerinnen nach: »in das wilde fest der freuden mischten sie den wehgesang.«
Freiligrath reimt sich sogar forsch Zukunft herbei: »jedwede zeit hat ihre
wehen, ein junges Deutschland wird erstehen.«
    Dem
folgen Wehgeschrei und Wehklage, das Wehleid als Verursacher weit verbreiteter
Wehleidigkeit und schließlich die Wehmut, welche vom »trüben wehmuthslächeln«,
dem »wehmuthsschweigen tief im stillen herzen« weiß, bis hin zur verspotteten
und vielzitiert mit Seufzern beschwerten »wehmuthszerrissenheit«, die den
Romantikern und deren Epigonen nachgesagt wurde.
    Das
alles und viel mehr kam als vierzehnter, in meiner Ausgabe des Wörterbuchs
achtundzwanzigster Band im Jahr 1955, lange bevor das Kürzel www für World Wide
Web die Welt veränderte, auf den Buchmarkt und benötigte, wie Theodor Frings
als Institutsleiter der Akademie der Wissenschaften zu Berlin in seinem
Vorwort schreibt, »mehr als vier Jahrzehnte« bis zur Veröffentlichung.
    Nachdem
er alle Mitarbeiter aufgezählt hat, erwähnt er die Göttinger Arbeitsstelle, die
dem Band mit der Lieferung von Weh bis Wendunmut das Fundament gesetzt hatte.
     
    Um
diese Zeit war der Tiergarten schon wieder grün. Zur Zeit des
Wirtschaftswunders gab es dort keine Kleingärten mehr, die den Hunger der
Nachkriegsjahre mit Kartoffeln, Kohlköpfen, mit Karotten gelindert hatten. Kaum
waren die Trümmer abgetragen und Bombentrichter geebnet, der Schrott weggeräumt
und alle Teichufer gesäubert, wurde die Brachfläche mit schnellwachsenden
Pappeln und Schwarzerlen bepflanzt. Sie bildeten auf sandigen Böden Humus, auf
dem, besonders in Nähe zu Wasserläufen auenwaldähnliche Bepflanzungen wurzeln
konnten. An anderen Stellen wuchsen Hainbuchen, Stieleichen, Birken und
Kiefern, die sich, wie zu Grimms Zeiten oft gemalt und später Photographien,
mählich zum Wald verdichteten, der Schatten warf, so daß winterfeste Stauden
gedeihen konnten. Entlang dem Wasser vom Rousseau- zum Luisenteich blühte ein
Rhododendronhain. Brücken wölbten sich, Teiche wurden belebt, Wege befestigt
und Alleen befahrbar gemacht. Kurfürsten, Feldherren, Nymphen, Künstler und Fabelwesen
kamen steinern wieder zu Ansehen.
    Was
geschah noch? Bänke wurden gesetzt, auf denen ich nun, wie dazu eingeladen,
Platz nehme, mal auf dieser, mal auf jener, um wiederum die Grimmbrüder
herbeizuwünschen, schließlich mit Lockrufen zu ködern, damit ich ihnen
berichten kann, wie gut die Arbeitsstellen in Ostberlin und Göttingen trotz
der Teilung des Landes und der Herrschaft der vier Besatzungsmächte in der
einstigen Hauptstadt zusammenarbeiten.
    Ich
behaupte: Kein Streit fand statt, was üblich gewesen wäre während des Kalten
Krieges. Man ignorierte das ideologische Gegeneinander. Je eifernder die in
Ost und West aufgestellten Radiosender und grenznahen Lautsprecher dröhnten, um
so stiller und unauffälliger verhielt man sich, war fleißig, ließ sich nicht
ablenken und kam Spalte nach Spalte voran, so daß demnächst - wage ich
vorauszusagen - mit der Veröffentlichung des fünfzehnten Bandes - in meiner
Ausgabe der einunddreißigste - gerechnet werden könne. Erstaunlich! Vor fünfzig
Jahren begann Moritz Heyne ihn zu bearbeiten. Er reicht von Z bis Zmasche,
führt Zahl,
    Zeit,
Ziel mit sich, läßt den Zufall mit Zitaten zu Wort

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