Grass, Guenter
buckelich nas in der mitten bedeut beredenheit und kluge sitten.«
Aesop war ein Buckliger. Im Lied, das im Wunderhorn steht, lacht das bucklicht
Männlein.
Und
aus Lichtenbergs Buckel, sagt Tete Böttger, der es wissen muß, könne man Funken
schlagen, auf daß uns die Tranfunzel Vernunft brenne und brenne.
Derweil,
wenn auch rund hundertfünfzig Jahre vor dem Mauerfall und dessen Folgen bis hin
nach Albanien, lief der Briefverkehr zwischen Leipzig und Kassel, Kassel und
Berlin postwendend ab, gab pünktlich der Verleger Reimer den Brüdern Grimm
Bescheid, ließ der Verleger Hirzel höflich jeweils Grüße bestellen, und auch
Bettine war nicht schreibfaul, so daß Jacob wiederholt Gründe fand, sich in
Briefen an Dahlmann und Gervinus besorgt zu zeigen. Doch wenn beide die
öffentliche Betriebsamkeit der Witwe, bei allem Wohlwollen ihr gegenüber, mit
kritischen Worten, vorlaut sei sie und von penetranter Beredsamkeit, beurteilten,
mußte andererseits Dahlmann, der mit dem nüchternen Blick des Historikers
wertete, Jacob brieflich ermahnen, als jener die reichlich fließenden
Geldspenden - so wollten Bürger der Stadt Königsberg mit 1600 Talern Beistand
leisten - nicht anzunehmen bereit war: »Die womöglich als hochmütig empfundene
Ablehnung der Beihilfen könnte die landesweite Begeisterung für das
beispielhafte Handeln der Göttinger Sieben dämpfen und das vaterländische
Interesse ersticken.«
Also
besann sich der ältere Grimm, nun auch ermuntert durch den jüngeren, der als
Familienvater ohnehin haushälterisch handeln mußte, eines Besseren;
schließlich galt es, der vielköpfigen Wohngemeinschaft im »Haus zur schönen
Aussicht«, zu der außer der Familie des malenden Bruders Ludwig Emil immer
wieder die schlecht versorgten Brüder Ferdinand und Karl zählten, nach Kräften
beizusteuern. Bescheiden und auf jeden Pfennig bedacht ging es in Kassel zu.
Dahin
kam alle Post. Doch so sehr die Verleger drängten, Jacob sah sich, wenngleich
die Zettelwirtschaft bereits begönnen hatte und sich dem Alphabet zufolge alle
Buchstaben zugleich in Szene setzten und mit Zitaten bestückt einander in
Kolonnenstärke zu überbieten versuchten, vorerst genötigt, seine später
berühmt gewordene Verteidigungsschrift zu Papier zu bringen.
Wilhelm
hatte, noch von Göttingen aus, die erste Fassung gestrafft. Weil mehr noch als
Jacob allen Parteiungen fern, strich er weg, was ihm allzu politisch
vorschmeckte. Nur die Besorgnis um des Eides Bestand und den Kern, die
Verweigerung als Haltung, blieb stehen, so daß beide als Verfasser hätten gelten
müssen. Doch als der restliche Text dann, in Basel gedruckt und verlegt, seinen
Weg nahm und dabei, wie erhofft, die überall im Vaterland geltende Zensur
unterlief, machte er nur den älteren Grimm als Autor bekannt.
Wilhelm
hatte in einem Brief bereits vorausgewußt: »Die Schrift, zumal in dieser
eindringlichen Weise abgefaßt, wird großes Aufsehen machen, mehr als du
vielleicht denkst...«
So
geschah es wie zum Beweis. Jacob, dem Ausgewiesenen, hatte es zugestanden,
seine Verteidigung mit einem Vers aus dem Nibelungenlied einzuleiten: »war sint
die eide komen?«
Denn
nur darum ging es. Den Brüdern galt der Verfassungsbruch des Königs von
Hannover als Entwertung des von ihnen geleisteten Eides. Die Gebundenheit durch
Eid an eine Verfassung, die gewiß nicht als freiheitlich gelten konnte, war
ihnen dennoch bindend; nicht fürstliche Willkür konnte sie einseitig auflösen.
Doch verlangte der Eid in späteren Zeiten eine Haltung ab, die jenen Gehorsam
zur Folge hatte, der sich sogar Verbrechen gegenüber blind stellte.
Den
Göttinger Sieben - Jacob Grimm voran - ist diese, dem Eid eingeborene
Gefährdung als »blinder Gehorsam« nicht bewußt gewesen. Ihnen war
Verfassungstreue erstes und letztes Gebot. Der verfaßte Text ließ allenfalls
Bedenken zu, sein Bestand jedoch war unverbrüchlich. Weshalb auch Wilhelm,
bezeichnend für ihn, den Wankelmut und die beflissene Feigheit der
mehrheitlichen Göttinger Professoren, über zwanzig an der Zahl, in einem
poetischen Bild festhielt: »Die Charaktere fingen an sich zu entblättern gleich
den Bäumen des Herbstes bei einem Frosttag.«
Mir
kommt dazu mein Versuch, mich »beim Häuten der Zwiebel« zu erinnern, in den
Sinn: was bleibt und nur zögernd zu berichten ist.
Es
geschah auf einer winterstarren Waldlichtung. Siebzehn zählte ich, als wir,
ins Karree gestellt, unter frostklarem Nachthimmel auf Führer, Volk
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