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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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Doch als in Friedenszeiten die Kurse ins Bodenlose, kam es, weil faule
Kredite weltweit verfielen, zum allgemeinen Sittenverfall, worauf mir
Fallgruben für all jene einfielen, die längst überfällig sind.
     
    Zufällig,
das heißt bei Spaziergängen im Tiergarten, fallen Jacob an Wegkreuzungen, wo
ihn jeweils Zweifel anfallen, ob das, was er tut, noch sinnfällig ist, weitere
Wörter wie Fallobst zu. Doch nachdem er das anlautende, inlautende und
auslautende F gründlich bedacht und nachgewiesen hat, wie häufig sich in
früherer Zeit F und V vertreten, mithin am Wechselspiel Vergnügen finden, soll
im dritten Band des Grimmschen Wörterbuchs der Buchstabe F mit dem wohllautenden
Wort Fabel anheben. In ihm klingt die lateinische fabula nach. Vom Fabelbuch
geht es über zum Fabelhans, der dem Faselhans nahe steht. Dem folgen
Fabelwesen, von denen Schiller behauptet, »sie sind nicht mehr«.
    Diese
Reihe setzt der übrige Grimm mit Asops Tierfabeln und deren jeweiliger Moral
fort, will aber nichts von Goethes Lust zum Fabulieren wissen, sondern weist
mit Zitat auf dessen Gebrauch des Wortes »fabelwahn« hin. Nach dem Ende der Fabelzeit
und letztem Lob der Fabler, einer Zunft, der ich mich während anderer Zeitweil
mit Freude zugezählt hätte - auch kommt mir neuerdings Alltägliches, zum Beispiel,
wie beim Schuhbinden eine Schleife gelingt, fabelhaft vor -, geht er
ernüchternd zum Stichwort Fabrik über, dem sich, belegt durch ein Kantzitat,
die einförmige Gelehrsamkeit als »fabrikenmäszige Verteilung der arbeit«
anschließt.
    Bevor
er aber fernerhin dem F folgt und sich über »die pfleger und hüter des unkrauts
der doppelung«, die nicht mehr »schif« sondern »schiff und griff« schreiben
wollen, entrüsten kann - schrieb man doch weiterhin dorf, wolf und schaf -, muß
der geliebte, wenngleich beim Finden von Wörtern eher saumselige Bruder
begraben werden.
    Das
geschah auf dem Friedhof der Matthäikirche. Freunde und Fremde kamen, sagten
Beileid auf. Schnee fiel auf gefrorene Erde. Von fernher Angereiste standen ums
Grab. Einmütig wurde in ganz Deutschland, so uneins das Vaterland war, der
Verlust beklagt. Ein Prediger fand wie gelernt Worte, an die sich später
niemand erinnern konnte. Froststarre Tannen und Fichten. Doch wollten Kinder
zwischen den Trauernden seltsam gekleidete Figuren gesehen haben, die aufs
Haar jenen glichen, die in Märchen fortleben. Ab dann fehlte der jüngere Grimm.
     
    Es
hieß, dem zeitlebens Kränkelnden habe ein Geschwür, das aus dem Rücken
geschnitten werden mußte, zudem eine Lungenentzündung, vielleicht aber auch
sein seit Jugendjahren stolpernder Herzschlag den Tod gebracht.
    Dreiundsiebzig
Jahre Frist waren Wilhelm gegeben worden. Nach Studium und eifrigem
Märchensammeln, dem Erwecken alter Schriften wie der Kudrundichtung, des Hildebrandliedes
und des Konrad von Würzburg, dem Beleben deutscher, irischer und dänischer
Sagen, der Eddalieder und nach der Runenkunde und späteren Forschung zur Geschichte
des Reims, die ihn vom Buchstaben D weit weggeführt hatte, nach wasnochallem
bei krümmender Haltung und jahrelanger Beatmung staubhaltiger Bibliotheken und
deren Verlust durch den Göttinger Vorfall, wollte er sich zwar anfangs
begeistert jenem Teil des Wörterbuchs zuwenden, der mit dem hinweisenden
Einsilber da anhebt, und schließlich über Dwal, was einst Narr bedeutet hat,
auf einen dwalichten Menschen kommt, um mit dwatsch und einem Kleistzitat zu
enden, das Tauschhandel mit Buchstaben treibt - »ein twatsches kind! ihr
sehts, gut, aber twatsch« -, dann aber hinderten wechselnde Stimmungen Wilhelm
Grimm, mit letzter Sorgfalt weiterhin unterm Joch des D zu frönen.
    Zwar
schloß er den zweiten Band ab, aber zum Vorwort reichte es nicht. Folglich
schrieb es der ihm nachtrauernde Bruder. Weil kürzer als zum ersten Band
geraten, drängen sich in wenigen Spalten Jacobs Lob und Tadel.
    Anfangs
ruft er ihm nach: »er arbeitete langsam und leise, aber rein und sauber«, um daraufhin
zu befinden, »in milder, gefallender darstellung war er mir, wo wir etwas
zusammen thaten, stets überlegen«, dann aber klagt er: »mein bruder ist in
einigen dingen, die ich verabredet glaubte und für die ich beim beginn
unausweichlich einen ton angeben muszte, wieder abgewichen.. «
    Und
weiterhin wird des Toten Tun und Lassen bemäkelt, als sei aus dessen Lebzeiten
noch eine Rechnung offen geblieben: Jacob bedauert die Auflösung von
Abkürzungen, was zwar den Text

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