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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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ansehnlicher mache, aber zugleich mehr Raum
koste. Nicht einsehen will er, weshalb der Bruder weitgehend auf Latein als
vorangestellte Worterklärung verzichtet und so den Nutzen durch andere Völker
gemindert habe, denn »unser deutsches Wörterbuch soll nicht nur für Deutsche in
engerm sinne sein, sondern sich auch zu Scandinaven, Niederländern, Engländern,
Franzosen und andern Welschen erstrecken...«
    Noch
mehr Unmut wird laut über des Bruders Lossagung von der sonst im Wörterbuch
beachteten Regel in »bezug auf die sich an das verbum anschließenden
partikeln«. In grammatischen Finessen weiß er sich überlegen, kommt aber
dennoch zu der Einsicht: »aus mehrern bächen ist verschiednes und doch meistens
ähnliches gewässer in einen flusz zusammengeronnen.«
    Und
gegen Ende des an Stelle des toten Wilhelm verfaßten Vorwortes beschwichtigt
Jacob sich und seine Kritik, indem er einräumt: »sein Verlust ist allzu frisch
als dasz ich auszusprechen wagte, was ihn nur von ferne berührte.«
    Dann
dankt er. Nicht mit der Wörter Überschwang, wie es Wilhelm von der Feder
gegangen wäre, eher wortkarg werden in ausgewählter Reihe alle genannt, deren
»ansehnliche beitrage« den zweiten Band bereichert hätten. Auch wird der
Verleger Hirzel bedacht.
    Das
war nicht genug, konnte nicht genügen. Zu besserwisserisch schmeckte ihm seine
Krittelei nach. Zu dürftig war die lebenslange Bindung an den Bruder im knapp
gehaltenen Vorwort beschworen worden. Wenige Wochen nach dessen Tod sah sich
Jacob gedrängt, mit einer längeren Rede, geschrieben im Februar 1860, ihm ein
Denkmal zu setzen. Nur ein halbes Jahr nach dem kaum zu verschmerzenden
Verlust sprach er vor den versammelten Mitgliedern der Königlich Preußischen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin, zu denen, wie im Kreis berufener
Akademiemitglieder üblich, viele dem Tod nahe Männer zählten.
     
    Er
sprach stehend. Seine Stimme soll hell, feierlich kündend bis in den fernsten
Winkel des Saales gewesen sein. Nur manchmal, gegen Satzende, habe er Wörter
verhaucht oder sonstwie wegfallen lassen.
    Gab
es Beifall? Dankten ihm die Zuhörer mit ergriffenem Schweigen? Es fehlt an
Zeugnissen, wie Jacobs Rede »Über meinen Bruder Wilhelm« aufgenommen wurde,
doch ist mir aus der Jahre Distanz in leicht verwackelten Momentaufnahmen
erinnerlich, wie meine Reden, gehalten vor den Mitgliedern der Berliner
Akademie der Künste - dazumal am Hanseatenweg im Bezirk Tiergarten -, teils
Gehör fanden, teils Anstoß erregten.
    So
die Rede aus dem Jahr vierundsechzig über die »Vor- und Nachgeschichte der
Tragödie des Coriolanus von Livius und Plutarch über Shakespeare bis zu Brecht
und mir«, in deren von Zitaten gespicktem Ablauf ich mein deutsches Trauerspiel
»Die Plebejer proben den Aufstand« skizzierte. In Folge der Berufung auf den
dreiundfünfziger Streik der Arbeiter, der auf der Großbaustelle Stalinallee
begann, löste ich, noch während ich stehend in den Saal hinein sprach, einen
Streit aus, der mich, als zwei Jahre später das Stück auf die Bühne kam, in Ost
und West zum Feind stempelte. Wie der Arbeiteraufstand nach östlicher Doktrin
als konterrevolutionärer Putsch verdammt und von Panzern niedergewalzt wurde,
so ist er aus westlichem Interesse zur Volkserhebung umgelogen worden; so, nur
so sollte er in die Geschichte eingehen.
    Meine
Rede und deutlicher noch das Theaterstück widerspricht der einen, der anderen
Verfälschung. Am Ende scheitern alle, Arbeiter und Intellektuelle. Das
Trauerspiel erinnert an Brechts Buckower Elegien: »Ihr Unwissenden!
Schuldbewußt klag ich euch an.«
    Anders
die Rede »Über meinen Lehrer Döblin«, gehalten siebenundsechzig. In ihr
versuchte ich, die Akademie daran zu erinnern, wie eines ihrer Mitglieder im
Jahr dreiunddreißig ausgestoßen wurde: ein finsteres Kapitel ihrer Geschichte.
Er mußte flüchten. Die Heimkehr aus dem Exil mißglückte. Er starb verbittert.
Ein deutscher Schriftsteller mehr, der seinem Land fremd blieb. Nun wollte ich
ihn meinen Zuhörern empfehlen, sie neugierig auf seine Wortgeröll wälzenden
Abenteuer machen, sie »zu Döblin verführen, damit er gelesen werden möge«.
Abschließend sprach ich den Saal direkt an: »Er wird Sie berunruhigen; er wird
Ihre Träume beschweren; Sie werden zu schlucken haben; er wird Ihnen nicht
schmecken; unverdaulich ist er, auch unbekömmlich. Den Leser wird er ändern.
Wer sich selbst genügt, sei vor Döblin gewarnt.«
    Dieses
Lob meines Lehrers wurde von

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