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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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nun auf dem häuslichen Schreibtisch alles sammelt, was vom
Frohnbrot lebte, in seinem Zettelkasten voll einschlägiger Zitate einen Zettel
finden, dessen Wortlaut ihn mit dem älteren der Humboldtbrüder seufzen läßt:
»gezwungen tag um tag zum sauren fröhnen der stier den pflüg ins joch gespannet
ziehet.«
     
    Als
ihm der Winter abermals zu weiß wehendem Atem verhalf, wird ihn spürbar Frost
auf verschneiten Wegen begleitet haben. Sogleich weiterer Wörter sicher, rief
er frigus und gelu, leitete gotisch frius ab. Dann jedoch meinte er, weil
Schritt nach Schritt bewegt, den Frost kaum noch als Kälte zu empfinden und
unterschied »leichten geringen frost« von »harter, grimmiger kälte«.
    Sobald
es leichtflockig zu schneien begann, beglückte ihn ein Flemingzitat: »es fiel
ein sanfter schnee und ein gesunder frost.«
    Aber
im übertragenen Sinn war auch Voss zitierbar: »doch mag der jähre frost das
jugendfeuer lindern.«
    Zudem
half der stets nach Neuwörtern süchtige Jean Paul, der für den ersehnten
Frühling den »frostableiter« erfunden hatte.
    Nur
Hiob behauptete weiterhin: »vom odem gottes kompt frost...«
    Erst
auf dem Heimweg, als ihn Schlittschuhläufer erstaunten, die auf dem
Luisenteich geschickt Figuren liefen - einige gefielen sogar als anmutige
Paarläufer -, er aber dennoch bemüht blieb, weitere Wörter ins alphabetische
Gefälle zu zwängen, setzte, wiederum frei nach Jean Paul, die Kälte »seinem
herzen eine kleine frostbeule an«, so daß es ihn noch in seiner Gelehrtenstube
fröstelte. Wilhelms Witwe und die immer besorgte Auguste ängstigten sich, weil
er mit teils unsinnigen Sätzen auf bibbernden Lippen heimgekehrt war, die ihm
in fieberfreiem Zustand kaum notierenswert gewesen wären, mir jedoch gefallen,
zumal sie sich erweitern lassen:
     
    Der
Frauen Frohsinn machte ihn frösteln. Wörter hingen frosterstarrt an Fenstern,
hinter denen es finster blieb, denn im Verlauf der Kriegsfolgejahre fehlte es
an allem, nur nicht an Dauerfrost.
    Im
Film wie im Leben: frostigen Abschied geben die Liebenden sich.
    Die
Freiheit fror, jetzt brennt sie in den Ofen, schrieb ich, noch jung, ins
Gedicht »Polnische Fahne«.
    Er
blickte in des Fürsten Frostgesicht, fand fingerreibend und von blauer Farbe
bei Hofe nur Fröstlinge vor.
    Und
wiederum hieß es: Väterchen Frost habe Mütterchen Rußland gerettet.
    Als
aber der Winter nicht enden wollte, sprach Kardinal Frings von der Kanzel herab
alle Kohlendiebe von Sünde frei, worauf das frierende Volk fortan jegliche
Futtersuche - auch die fürs Feuer - »fringsen« nannte. Dennoch erfroren Frauen
und Greise, starben unterkühlt Kinder, die, laut Statistik, unter weiteren
Frostschäden zu finden waren.
     
    Jacob
Grimm überlebte den Winter zweiundsechzig dreiundsechzig. Im Frühling schrieb
der Verleger Hirzel begeistert, sein Sohn Heinrich, der kürzlich die
Buchhändlerlehre in einem angesehenen Londoner Verlag abgeschlossen habe, ihm
nun zur Seite stehe, sei bei schönstem Sonntagmorgensonnenschein mit eiligen
Schritten ins Zimmer getreten und habe ein Manuskript hoch in der Hand gehalten,
dessen Schriftzüge signalisiert hätten: »Neues zum Wörterbuch!«
    Er
dankte dem »lieben Grimm«, den er als Hofrat betitelte, »denn nun lebe er
wieder auf und hoffe, dasz nichts mehr ins Stocken gerate.«
    Jacobs
Sendung nach Leipzig umfaßte die Stichwörter fränkisch bis Frauenwürde. Leider
erkrankte bald danach Salomon Hirzel schwer, worauf sein Sohn, dem der Vater
vorsorglich Prokura erteilt hatte, die Betreuung aller folgenden Lieferungen
übernahm, so die, in der es von freibrüstig bis freiwüchsig ging. Im Mai trafen
weitere Sendungen ein, die bis freudig reichten; frei und Freude gaben
Sturzbäche Zitate her.
    Dann
aber war der Korrektor Hildebrand bettlägerig, worauf, was Hirzel befürchtet
hatte, alles stockte. Ende Mai teilte Jacob seinem wieder genesenen Verleger
mit: »krankheit und todesfälle sind sehr angreifend, ich habe im vorigen monat
meinen letzten bruder zu Cassel verloren und bin von den neun kindern meiner
eitern allein noch übrig.«
    Inzwischen
suchte Hirzel bei Goethe nach einem Zitat mit dem Wort frech und nach der
Quelle für ein Schillerwort, das frei mit dem Gewissen verbindet. Der erste
Beleg fand sich in Goethes »Claudine von Villa Bella«, einem Schauspiel mit
Gesang, der zweite im fünften Akt des »Don Carlos«. In weiteren Briefen wurde
über das Wetter geklagt.
    Bei
der nächsten Lieferung von freudig bis

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