Grau - ein Eddie Russett-Roman
gingen wieder.
»Letzte Woche ist eine Mine eingestürzt, und dabei hätte es beinahe einen unserer besten Bergleute erwischt«, sagte Turquoise. »Uns sind praktisch alle Farben ausgegangen – nur falls Sie noch einen guten Grund für einen Kurztrip nach Hoch-Safran brauchen. Ich erhöhe auf zweihundertfünfzig Meriten.«
»Ich überlege es mir noch«, antwortete ich, was hieß, dass ich es auf keinen Fall machen würde. »Und mein Frage-Klub?«
»Na gut«, sagte Turquoise zähneknirschend, da er mir meine Bitte gemäß den Regeln nicht abschlagen konnte. »Betrachten Sie Ihre Vereinigung als genehmigt. Wir weisen Ihnen ein Fenster innerhalb des vorgeschriebenen Zeitrahmens zu.«
Er sah mich eine Zeitlang ruhig an.
»Nur weil man gut bluffen kann, Russett, folgt daraus nicht, dass man es auch tun sollte. Eine Vereinigung zu führen heißt, Verantwortung zu übernehmen. Ich verlasse mich darauf, dass Sie sie nicht missbrauchen.«
Ich versicherte ihm, so etwas läge mir fern, und bat ihn, mich zu entschuldigen, falls er mich nicht weiter benötige. Ein paar Felder weiter war mir gerade eine Gestalt aufgefallen, die eine Kamera auf einem Stativ trug. Das konnte nur Dorian sein, der mich um ein Interview für den Merkur gebeten hatte.
Dorian und Imogen
1.1.6.23.102 : Lautes Rufen ist nur Zuschauern bei sportlichen Veranstaltungen gestattet. Bei allen anderen Gelegenheiten sollte der Stimmpegel moderat gehalten werden.
Dorian fotografierte die diesjährige Ausbeute an Schweblingen. Ein Pferdegespann zog einen Pflug durch das abgeerntete Kornfeld, und ich ging am Rand entlang und sah kleine Partikel des schwebenden Materials aufsteigen, während die Erde umgepflügt wurde. Die Teile glitten bergab, wo sie, durch einen natürlichen Graben gelenkt, in langen, etwa einen Meter über dem Boden gespannten Musselinnetzen aufgefangen wurden.
»Hallo!«, sagte Dorian, der gerade die bauschenden Netze mit einem Eichenbaum im Hintergrund ablichtete. »Hier, gucken Sie mal!«
Er zeigte mir einen außergewöhnlichen Schwebling von der Größe eines Hühnereis, der an der Seite noch die aufgedruckte Artikelnummer aufwies, auf der anderen ragten einige Kabelenden heraus. Er lag zusammen mit einigen kleineren Stücken – eigentlich nur Fragmenten, Staubkörnern – in dem Netz, und ich tippte ihn von oben mit einem Finger an, um seine Stärke zu prüfen. Der übliche Preis für dreißig negative Gramm betrug zehn Meriten, und wenn ich mir die Bruchstücke so ansah, hatte Dorian allein mit dieser Ausbeute zwanzig bis dreißig Meriten verdient.
»Wir sind etwas später gekommen, deswegen haben wir ein paar verpasst.« Er zeigte bergab, die Richtung, die Schweblinge immer nehmen. »In Rotbich-am-Meer ist ein Netz über die Mündung gespannt, aber erst seit zehn Jahren oder so, und es fängt sie nicht alle auf.«
Nachdenklich betrachtete ich diese seltsamen Metallstücke. Sie waren menschengemacht, das war unbestreitbar, und auch, dass sie Bruchstücke von größeren Dingen waren, nur was für Dingen, das wusste niemand. Die natürliche Tendenz der Schweblinge, den niedrigsten Punkt anzustreben, also aufs Meer hinauszutreiben, führte dazu, dass es nur wenige Stücke gab, die man näher untersuchen konnte. Heute fanden sich nur noch solche, die in natürlichen Hohlräumen versteckt lagerten oder in der Erde vergraben waren, wo sie in der Vergangenheit durch Zufall oder bei Bestattungen hineingelangt waren.
»Wo sammeln die sich eigentlich alle?«
»Dem Gerücht nach soll es irgendwo draußen auf dem Ozean eine schwimmende Insel geben, die sogar bewohnt sein soll. Aber als tragendes Fundament für eine menschliche Siedlung brauchte man wohl mehrere Tausend Kubikmeter. Wahrscheinlich leben da nur Meeresvögel und solches Getier, so lange, bis das Inselchen von dem Gewicht des ganzen Vogeldrecks unter die Wasseroberfläche gedrückt wird.«
Ich interessierte mich viel mehr für seinen Fotoapparat, eine Plattenkamera von Linhof. Wie bei den meisten Kameras war der Verschluss seit Jahren verklebt, doch die Emulsion verlief heute viel langsamer, und die Belichtung wurde dadurch kontrolliert, dass man einfach die Linsenabdeckung für die erforderliche Zeit entfernte. Ich hatte mir oft gewünscht, mal zusammen mit Constance fotografiert zu werden, doch ihre Mutter hatte es verboten, damit wir uns nicht daran gewöhnten. Dorian zeigte mir das auf dem Kopf stehende Bild im Sucher, und ich fand die Einstellung ziemlich gut.
»Jetzt
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