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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Bonuszahlungen berechnet hatte, verließen wir die Abfallfarm und schritten forsch aus in die offene Landschaft; ausgedehnte Weizenfelder wiegten sich sanft im Wind.
    »Wo waren wir stehengeblieben?«, fragte Turquoise.
    »Ich hatte sie um die Gründung eines Frage-Klubs ersucht.«
    »Ach ja, richtig. Und ich hatte geantwortet, wir hätten schon einen, die Debattiergesellschaft.«
    Ich wies ihn auf einen entscheidenden Unterschied hin. »Die Debattiergesellschaft ist nur der Chromagenzija vorbehalten«, sagte ich. »Ich möchte einen Klub, in dem jeder Fragen stellen kann.«
    Er musterte mich misstrauisch.
    »Was denn für Fragen?«
    »Unbeantwortete Fragen.«
    »Edward, Edward«, sagte er gönnerhaft lächelnd. »Es gibt keine unbeantworteten Fragen, die es sich lohnte zu stellen. Jede Frage, die gestellt werden muss, ist bereits zur Genüge beantwortet. Wenn Sie die korrekte Antwort darauf nicht finden, stellen Sie offensichtlich die falschen Fragen.«
    Ein interessanter Ansatz, und zunächst fiel mir keine schlagfertige Antwort darauf ein. Wir gingen einen Pfad entlang, der ein leichtes Gefälle aufwies, und das Einzige, was man von hier aus vom Dorf erkennen konnte, war der Flakturm mit dem Blitzköder auf dem Dach. Das war mein Stichwort.
    »Wofür wurden die Flaktürme eigentlich benutzt?«
    »Eine Unfrage. Die komplizierten Mittel und Wege der Einstigen sollten lieber in Vergessenheit bleiben, es sind nicht die unsrigen. Früher gab es materielle Ungleichheit und ein ganz und gar destruktives Maß an Eitelkeit. Heute haben wir die reine Schönheit des chromozentrischen Hierarchismus.«
    »Und warum darf man dann keine Löffel mehr herstellen?«
    Turquoise fiel die Kinnlade herunter. Es war eine heikle Frage, die seit Jahren heftig diskutiert wurde. Löffel waren laut Vorschrift in Anhang VI von der Liste der genehmigten Gebrauchsgegenstände gestrichen worden, und die Aufmüpfigeren unter den Diskutanten hatten die Möglichkeit ins Spiel gebracht, es könnte ein Irrtum im Wort Munsells sein, ein Beweis seiner Fehlbarkeit.
    »Warum hackt ihr Pseudorationalisten eigentlich ständig auf diesem Löffelthema rum? Die Wege Unseres Munsell sind unergründlich. Führende Chromatologen haben die Löffelfrage lang und breit erörtert und sind, da das Wort Munsells unfehlbar ist, zu dem Schluss gekommen, dass es einen größeren Plan gibt, in den wir noch nicht eingeweiht sind.«
    »Wie könnte solch ein Plan aussehen, der eine Löffelknappheit notwendig macht?«
    »Genau deswegen steht die Debattiergesellschaft nur der Chromogenzija offen«, sagte er aufgebracht. »Eine freie Diskussion verleitet zu dem Irrglauben, Neugier sei wünschenswert. Munsell aber sagt uns immer wieder, dass Wissbegier der erste Schritt zu Disharmonie und Verderbnis ist. Und außerdem«, fügte er hinzu, »dumme Fragen zu stellen schreibt ihnen eine unverdiente Bedeutung zu. Und der Versuch, schlechte Fragen zu beantworten, ist reine Geistesverschwendung. Die Frage, die Sie sich stellen sollten , lautet: Wie kann ich meinen Zivilen Verpflichtungen effizienter nachkommen, um das reibungslose Funktionieren des Kollektivs zu verbessern? Wollen Sie auch die Antwort hören: Indem ich mit meinen zweifelhaften Ideen für irgendwelche Vereinigungen dem Präfekten nicht seine wertvolle Zeit stehle!«
    Er sah mich an, aber er war mir nicht böse; ich glaube, insgeheim genoss er unser Gespräch genauso wie ich.
    Wir waren am kreisrunden Rand einer Wertgutgrube angelangt, die in ein Backsteingemäuer eingefasst war, das einen Meter über den Boden hinausragte. Die Holzabdeckung war abgenommen worden, und zwei Graue verrichteten ihren Dienst; der eine lenkte mit einem polierten Bronzespiegel, der auf ein Podest montiert war, die Sonnenstrahlen hinunter zu den Arbeitern in der Mine, der andere hielt ein Seil, an dem offenbar ein Eimer hing, um den Abraum aus der Grube zu ziehen. Neben ihm stand eine Karre, die zur Hälfte mit feuchter schwarzer Erde gefüllt war, und auf langen Bocktischen war minderwertiger Müll zur Farbsortierung ausgelegt.
    »Hallo, Terry«, sagte Turquoise. »Besondere Vorkommnisse?«
    »Jimmy hat auf Vektor 65–32–420 ein Auto entdeckt, wie er meinte, aber es war nur ein vorderer Kotflügel.«
    »Ärgerlich«, sagte Turquoise, der kurz das geborgene Wertgut in Augenschein nahm. Ich konnte erkennen, dass nur wenig Rotes darunter war, und nach dem Verhalten des Präfekten zu urteilen auch nur wenig Blaues.
    Der Graue nickte, und wir

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