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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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nur noch ein paar schöne Wolken, und es wäre perfekt«, sagte er mit einem Blick zum Himmel. »Wussten Sie, dass ein tiefroter Filter den Kontrast im Himmel verstärkt?«
    Davon hatte ich auch schon gehört, aber ich wusste nicht, wie es genau funktionierte.
    »Ihre Fahrt nach Rostberg soll ja ein riesiger Erfolg gewesen sein«, sagte er. Wir gingen zu seinem kleinen Handkarren, in dem seine ganze Fotoausrüstung und Gerätschaften zum Teekochen verstaut waren. »Wie hat Ihnen der Kuchen aus Knochenmehl geschmeckt, den ich Ihnen gegeben habe?«
    »Der war ungenießbar.«
    »Das habe ich mir gedacht. Gucken Sie mal, hier.«
    Er zeigte mir die Aufnahme, die er von unserem Rostberg-Expeditionsteam gemacht hatte. Es wirkte einigermaßen heldenhaft, abgesehen von Carlos Fandango, der das Bild durch seine Kopfbewegung verdorben hatte. Ich machte Dorian darauf aufmerksam.
    »Das hat er extra gemacht. Mr Fandango und ich sind in vielen grundlegenden Fragen unterschiedlicher Meinung«, sagte er und fuhr fort: »Aber jetzt berichten Sie mal. Wie war Ihre Fahrt? Es ist für einen Artikel im Merkur , wie Sie wissen.«
    Wir setzten uns ins Gras, und ich nahm mir die Zeit, ihm alles zu erzählen, fast alles, nur Jane, das Haus von Zane G49 mit all seinen Schätzen und die Puka ließ ich aus.
    Während er sich die Geschichte mit dem Colormann aufschrieb, fragte ich ihn: »Wie kommt ein Grauer zu dem Posten des Herausgebers einer Dorfzeitung?«
    »Ich war ein Fliederlila vor meinem Ishihara«, antwortete er mit etwas gequälter Munterkeit. »Meine Eltern waren natürlich schrecklich enttäuscht, wenn auch nicht überrascht – die Familie ist schon seit einiger Zeit auf dem absteigenden Ast. Meine Ururoma war Oberpräfektin von Glyzinien, und mein Vater war Werkmeister hier in Ost-Karmin, bis zu seinem Tod.«
    »Oh«, sagte ich. »Das tut mir leid.«
    »Es war unvermeidlich. Jedenfalls war ich schon vor meinem Ishihara Redakteur bei der Zeitung. Von der Malve hatte Mitleid mit einem Ex-Purpurnen und hat mir erlaubt, den Job zu behalten, wenn auch auf Basis eines Schlupflochs. Offiziell bin ich nur stellvertretender Setzer, die höchste Lohngruppe, die mir vergönnt ist.«
    »Wie ärgerlich.«
    »Im Gegenteil«, sagte er mit einem Lachen. »So brauche ich keine Zwölfstundenschichten in der Fabrik unter dem wachsamen Auge der entzückenden Mrs Schwefel zu schieben.«
    »Sie sollten mal einen Artikel darüber schreiben, wie die Grauen hier behandelt werden.«
    »Ja«, sagte er, »das wäre malwirklich gewieft. Aber wenn ich es mir recht überlege, wäre es wohl doch besser, mir meine Empörung für salonfähigere Ärgernisse aufzuheben – zum Beispiel das skandalöse, sündige Treiben auf den Schaubühnen während der Gute-Laune-Messe.«
    Ich war anderer Ansicht, behielt das aber für mich. Die nicht überwachten »Nebenattraktionen« waren das Beste an der ganzen Messe.
    »Hm«, sagte Dorian und las sich seine in Kurzschrift verfassten Notizen durch. »Ich glaube, die Berge ausgebleichter Knochen und den verrotteten Präfekten streiche ich und konzentriere mich ganz auf die Caravaggio-Episode. Ich hätte Ihnen meine Speed-Graphic-Kamera mitgeben sollen.«
    Für Dorian war das mehr als nur ein Job. Er nahm seine Fotografie sehr ernst, und er sagte mir, dass er allein in den vergangenen vierundzwanzig Stunden abgesehen von dem Porträt des Rostberg-Expeditionsteams noch ein Gruppenbild des zweiten Scrabble-Teams von Ost-Karmin, ein Bild von Mr Eggshells Riesenlupine und noch mehrere andere Personenaufnahmen gemacht hatte sowie einen Schnappschuss von der Untersuchung der Hochleistungsschneidemaschine, an der am Tag zuvor ein Unfall passiert war.
    »Wollen Sie mal sehen?«
    »Ja, zeigen Sie her.«
    Er schlug eine der vielen prallen Mappen auf, die in seinem Karren lagen. Die Bilder zeigten den Dorfalltag, die Arbeit auf dem Feld, die Ernte, Bewohner beim Schwimmen im Fluss.
    »Das sind Mr und Mrs Rotebeet, kurz bevor sie bei lebendigem Leib verbrannt sind, ihr Haus hatte Feuer gefangen. Und das ist gleich danach aufgenommen. Die Regeln schreiben nur vor, dass eine Sprinkleranlage installiert wird, aber nicht, dass sie auch funktionieren muss.«
    Er blätterte weiter.
    »Das ist ein Bild von der Aufführung von Hamlet, Prinz von Tyrian , letztes Jahr, hier im Dorf. Violetta von der Malve spielte die Ophelia, wie Sie sehen.«
    »War sie gut?«
    »Sie war grauenvoll. Alle haben gejubelt, als sie ertrunken ist.«
    »Wie hat sie es

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