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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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gebeten, auf wild wachsenden Rhododendron zu achten, der über die Grenzlinie hinauswuchert. Wenn Sie kleine Ableger sehen, reißen Sie sie aus. Sie wissen, wie aggressiv Rhododendron ist. Die Trupps, die die Sektoren Delta und Echo abgehen, werden von Mr Fandango mit dem Ford nach Harmonie gefahren und arbeiten sich von dort aus hierher zurück. Russett, Sie sind mit Doug für den Sektor Foxtrott eingeteilt. Noch Fragen?«
    »Ja«, sagte ein heller Gelber. »Sind wir rechtzeitig zum Frühstück wieder da? Wie Sie wissen, schnappen sich die Grauen in den ersten fünf Minuten immer den Schinkenspeck.«
    »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst«, sagte Turquoise, »so lautet die Regel, unabhängig vom Farbton. Wenn Sie nicht bummeln, erfahren Sie heute vielleicht endlich, wie Schinkenspeck so schmeckt.«
    »Wie ich gehört habe, soll er wirklich lecker sein«, sagte jemand weiter unten in der Reihe der Angetretenen, was auf breite Zustimmung stieß.
    Zu sechzehnt standen wir draußen vor dem Rathaus, jeder in Abenteuer-Outdoorkleidung Nr. 9, ohne Farbkennzeichen. Ich hatte seit meiner Qualifikation mit dreizehn Jahren ähnliche Dienste verrichtet, war also vertraut mit der Prozedur und wusste, wie eintönig eine Patrouille sein konnte. Schwäne wagten sich so gut wie nie in die Nähe von Siedlungen, und Gesindel war viel zu gerissen, um sich von Grenzpatrouillen überraschen zu lassen. Betont lautes Reden vertrieb es sowieso – bis die nächste Patrouille kam.
    Es gab keine weiteren Fragen. Jedes Team bekam ein stark zerlesenes Exemplar einer Dienstvorschrift ausgehändigt, die detaillierte Beschreibungen der verschiedenen Typen von Schwänen, Blitzeinschlägen und Gesindel enthielt, dazu die jeweilige Gefahreneinschätzung und eine Checkliste, wie im Notfall zu verfahren war. Turquoise wünschte uns alles Gute, ermahnte uns noch mal, ja nicht vom Grenzweg abzuweichen und von jedem Checkpoint aus anzurufen, und überließ uns dann unserem Schicksal.
    »Wie geht es dir heute Morgen, Eddie?«, fragte Doug, der ein bereitwilliges Lächeln hatte und sehr viel angenehmer war als Tommo, wenn auch nicht ganz so schillernd. Doug war bereit, auf andere einzugehen, Tommo kreiste immer nur um sich selbst.
    Ich sagte danke, es ginge mir gut, obwohl es gar nicht stimmte. Das Jane/Colormann-Problem, wen verrate ich an wen, war noch nicht gelöst. Der sicherste Weg war gleichzeitig der einfachste – gar nichts tun und hoffen, es werde sich alles zum Guten wenden. Es war kein kluger Plan, eigentlich überhaupt kein Plan, aber er besaß den Vorteil der Schlichtheit, und er hatte eine lange Tradition.
    Doug marschierte los, ich hinterher. Wir ließen die Häuser und die noch schlafenden Bewohner hinter uns, zogen an dem holprigen Grasland vorbei, Richtung Linoleumfabrik. Unterwegs unterhielten wir uns, hauptsächlich über unsere Familien. Die Karmesins befanden sich gerade auf dem Weg spektralabwärts, doch im Gegensatz zu den Russetts, deren Farbwahrnehmung bei ihrem Abstieg dramatisch gesunken war, verloren die Karmesins ihre Rotwahrnehmung nur allmählich, etwa zehn Prozent pro Generation.
    »Denkst du ernsthaft darüber nach, Violetta zu heiraten?«
    »Ja, doch«, sagte er achselzuckend. »Natürlich würde ich es lieber vermeiden, aber Violetta kann man schlecht zurückweisen. Als sie mir ein halbes Versprechen anbot, das für mich bindend wäre, für sie aber nicht, wollte ich ihr eigentlich sagen, dass ich den Hütern der Großen Farbpalette beitreten und mein Leben dem stillen Dienst am Farbton widmen wollte, aber was aus meinem Mund kam, hörte sich verdächtig an wie: Vielen Dank, Violetta, das wäre sehr schön.«
    Ich erzählte ihm von Constance, und wir tauschten uns über unsere Aussichten, spektralaufwärts zu heiraten, aus. Ich glaube, ich war optimistischer als er, aber Constance war auch nicht ganz so schlimm wie Violetta, die einmal so laut geschrien hatte, dass im Nebenzimmer eine Dessertschale zersprungen war.
    »Allerdings«, fuhr Doug fort, »hätte ich immer genug Geld und einen ruhigen Job in der Fabrik, wenn ich in die Familie von der Malve einheiratete. Vielleicht sollte ich mich einfach entspannen und an das Linoleum denken.«
    Ich würde wahrscheinlich das Gleiche tun, nur dachte ich an Bindfäden.
    »Doug«, sagte ich, in Gedanken wieder bei dem Apokryphen, »hast du Marmelade?«
    »Natürlich.«
    »Auch Boysenbeere?«
    Er verdrehte die Augen.
    »Leider nicht. In von der Malves Keller müsste welche

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