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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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und Tommo. Der Haupteingang war eine zwanzig Zentimeter dicke Bronzetür, die in halb geöffneter Position eingerastet war. Ich trat ein, ging einen kurzen Flur entlang, dann durch eine nächste Tür im Innern des Baus. Ich hatte gedacht, der Raum dahinter wäre dunkel, aber so war es nicht, zwei Glühlampen erhellten das Innere. Courtland hielt eine der Glühlampen in der Hand und durchsuchte den Schutt, die andere hing gefährlich lose an der Decke, von der Tommo sie mit einem Stock zu entfernen versuchte.
    »Was soll das für einen Sinn haben?«, sagte ich. »Das sind alles Rücksprunggüter. Die könnt ihr nicht mitnehmen.«
    Die beiden ignorierten mich einfach, und ich schaute mich um. Der Raum war groß und nahm ungefähr die Hälfte der Grundfläche ein, von hier gingen noch ein zweiter Raum und eine weitere Bronzetür ab, die eine Treppenflucht nach oben zur Hälfte verbarg. Zwei Wände wurden zur Gänze von langen Anbautischen aus Stahl eingenommen, auf denen die Trümmer von Fernwahrnehmern herumlagen. Ich fand eine noch funktionierende Scherbe, auf der Text zu lesen war, der sich bewegte, wenn ich mit einem Finger darüberwischte. Mit dem, was ich in Zanes Wohnzimmer gesehen hatte, war er allerdings nicht zu vergleichen. Der Boden war bedeckt mit Dreck, Rost, kaputten Möbeln, Kleiderfetzen, weiterem undefinierbarem Unrat und Knochen – einigen relativ jungen und anderen, die so alt waren, dass sie einem zwischen den Fingern zu Staub zerfielen. Als ich mit dem Fuß in dem Müll stöberte, fielen mir mehrere rote Gegenstände ins Auge; ich hob einen karmesinroten Knopf auf und rieb ihn an meinem Hemd ab.
    »Hier«, sagte Courtland, der eine der Nebenkammern erforscht hatte. »Ich habe wieder eine von den Vermissten gefunden.«
    Ich ging zu Courtland, der an einer Bronzetür lehnte, die aus dem Hauptraum hinausführte.
    »Sie liegt ganz hinten«, sagte er und gab mir die Glühlampe. »Seit zehn Jahren tot, vielleicht schon länger.«
    Ich trat ein und befand mich in einer Art Lagerraum, einzige Lichtquelle war ein schmaler vertikaler Schlitz. Die Regale waren zusammengebrochen, die Bretter verstreut auf dem Boden neben rostigen Dosen und einigen Gläsern, alles begraben unter einer dicken Schicht aus Staub, der beim Gehen aufgewirbelt wurde. Courtland hatte recht. Auf der Erde lag die Leiche einer Frau, vollständig bekleidet, die Haut wie Pergament über die Knochen gespannt, neben ihr ein Ranzen. Ich schüttete den Inhalt der brettharten Ledertasche auf den Boden, sie enthielt zwölf Löffel und eine große Anzahl Münzen.
    »Wow!«, sagte Tommo und bückte sich, um sie einzusammeln. »Das reicht, um Mrs Ocker ihre Lucy abzukaufen.«
    »Merkwürdig«, sagte ich, mehr zu mir selbst. »Sie trägt Reise- oder leichte Freizeitkleidung und keine Abenteuer-Outdoorkleidung.«
    Ich kratzte mich am Kopf. Die sterblichen Überreste von Thomas Smaragd hatten normale Straßenschuhe an den Füßen gehabt. Natürlich wusste ich nicht, von wo die beiden aufgebrochen waren, aus Ost-Karmin stammten sie jedenfalls nicht, und bestimmt hatten sie auch keiner Expedition angehört.
    »Wir gehen zurück«, sagte ich und durchsuchte die Kleidung der Frau nach einem Namensschild.
    »Wir gehen zurück?«, wiederholte Tommo erstaunt. »Und lügen, dass wir bis Hoch-Safran gekommen wären, oder sagen die Wahrheit, dass wir die Expedition abgebrochen hätten?«
    »Abgebrochen. Wir kommen ein anderes Mal … «
    »Dann kriegen wir auch kein Geld«, unterbrach er mich. »Jedenfalls nicht, wenn du unbedingt die ehrliche Haut spielen willst.«
    »Wir kommen ein anderes Mal wieder.«
    »Es gibt dort Löffel«, sagte Courtland und sah gierig auf den Haufen, den wir gerade gefunden hatten. »Uns bleiben noch mindestens vier Stunden, bis wir umkehren müssen. Meine Farbe ist höherwertig, deswegen bestimme ich, dass wir weitergehen.«
    »Schon vergessen?«, erwiderte ich. »Hier draußen gelten die Farbkennzeichen nicht. Ich bin Gruppenleiter! Und ich sage, wir gehen nicht weiter«
    »Also gut«, ging er sofort darauf ein. »Hast du dir mal den Ring angesehen, den die Frau trägt?«
    Ich bückte mich zu ihr hinunter, um mir die trockene und schrumpelige Hand genauer anzusehen. Aber Courtland hatte mich hereingelegt. Plötzlich hörte ich hinter mir die Tür ins Schloss fallen, und bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte, wurde der Riegel vorgeschoben.
    »Siehst du«, rief Courtland von draußen herein, »das kommt davon, wenn man sich

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