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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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ihm nun mit einem triumphierenden Leuchten in den Augen an die Kehle drückte.
    »Schon gut, schon gut«, sagte er in einem versöhnlichen Ton. »Man wird ja wohl noch fragen dürfen, was du hier überhaupt machst.« Er sah zu mir hoch. »Eddie«, sagte er. »Wir beide werden bald Präfekten sein. Sag ihr, sie soll mich loslassen.«
    Ich bebte noch immer vor Wut. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich mich mit jemandem geprügelt.
    »Ich ihr sagen, sie soll dich loslassen? Nachdem du mich hier eingesperrt hast, damit ich verhungere?«
    Er prustete vor Lachen.
    »Was bist du doch einfältig, Russett. Wir wollten dich nur ein bisschen schmoren lassen. Es war nur ein Streich. Stimmt’s, Tommo?«
    Tommo lag am Boden und krümmte sich vor Schmerz. Er schüttelte den Kopf, dann nickte er, dann zuckte er mit den Schultern, dann stöhnte er.
    »Den kannst du gerne mir überlassen«, brummte Jane. »Sag, dass ich ihn verschonen soll, und ich verschone ihn. Sag, er soll bluten, dann wird er bluten.«
    Ich antwortete, ohne zu zögern.
    »Verschone ihn.«
    Sie schubste Courtland von sich und stellte sich neben mich, vor Wut zitternd.
    »So enden wahrscheinlich alle Wertgutsammeltrupps«, sagte ich betrübt. »Es gibt gar keine Pukas, keinen Mehltau oder Flugaffen oder sonst was. Nur Angst und zu viel Streitereien um Löffel.«
    Ich holte tief Luft.
    »Tommo«, sagte ich. »Du gehst zurück zur Kahlen Landspitze und wartest dort auf uns bis … wann geht die Sonne unter?«
    »Halb neun.«
    »Gut. Du wartest bis Punkt halb acht. Dann bringst du Violetta mit dem Ford zurück nach Ost-Karmin. Kriegst du das hin?«
    Noch unfähig, einen Ton herauszubringen, nickte er nur.
    »Geh sofort los.«
    Bedächtig stand er auf, hielt sich die Seite und humpelte los.
    »Und was machen wir?«, fragte Jane.
    »Wir gehen nach Hoch-Safran.«
    Sie sah mich für einen Moment ungläubig an und legte den Kopf schief.
    »Kann sein, dass du das bereust.«
    »Mehr als jetzt schon bestimmt nicht.«
    »Ich komme mit«, sagte Courtland, der wieder auf den Beinen stand.
    Damit war die Sache für Jane entschieden.
    »Na gut. Aber dann sollten wir uns sputen. Von hier sind es drei Stunden Fußweg bis zur Anschlussstelle der Perpetulitbahn und dann noch mal eine Stunde bis Hoch-Safran.«
    Courtland und ich sahen sie entgeistert an.
    »Du bist schon mal dort gewesen?«, fragte ich.
    »Ein-, zweimal.«
    »Gibt es da Löffel?«, fragte Courtland.
    »Oh ja«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Löffel gibt es da in Hülle und Fülle.«

Ein Bote spricht
    3.6.12.03.267: Mit überhöhter Geschwindigkeit rückwärts Einrad fahren ist verboten.
    Wir folgten wieder dem Verlauf der alten Straße, die in Serpentinen den Steilhang hinunterführte. Jane und ich bestanden darauf, dass Courtland zwanzig Schritte vor uns ging, was ihm nichts ausmachte, wie er betonte, dann brauche er unsere widerlichen Visagen nicht zu sehen. Außer seinem eigenen trug er auch Tommos Tornister, offenbar hatte er große Hoffnungen, reichlich Beute zu machen.
    »Und?«, fragte Jane. »Wie war deine erste Begegnung mit Gesindel?«
    »Ich verdanke ihr mein Leben und du deins wahrscheinlich auch.«
    »Kann sein. War es die Mutter oder die Tochter, die dich rausgelassen hat?«
    »Die Tochter, nehme ich an.«
    »Also Martha. Sie selbst nennen sich nämlich nicht Gesindel.«
    »Wie denn?«
    »Die Digenen.«
    »Was bedeutet das?«
    »Weiß nicht. So nennen sie sich eben.«
    »Und wie nennen sie uns?«
    »Für uns haben sie viele Bezeichnungen, keine davon sehr schmeichelhaft.«
    Am Fuß des Berghangs schien sich die Straße völlg im Nichts zu verlieren, bis ich feststellte, dass sich auch ein Wasserlauf diesen Weg ausgesucht hatte, weil man auf ihm am besten hinunter zum Talboden gelangte. Er hatte das Bett der Straße völlig ausgewaschen. Ab hier folgten wir dem Fluss, zogen vorbei an Häusertrümmern, einer Telefonzelle, die noch rote Farbreste aufwies, und wieder einer Planierraupe, die halb versunken im Flussbett steckengeblieben war, nachdem das Wasser die Straße unterspült hatte. Bis heute Morgen hatte ich solche Maschinen noch nie gesehen, und hier gab es sie scheinbar zuhauf.
    »Was hat dich dazu bewogen, uns doch hinterherzugehen?«, fragte ich Jane, als wir über einen Felsen klettern mussten, der so groß wie ein Gartenschuppen war.
    »Dir ist sicher nicht entgangen, dass ich ziemlich impulsiv bin«, sagte sie. »Aber als ich mich beruhigt hatte, ist mir klar geworden, dass diese

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