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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Doggen. Danach folgten Bluthunde, Wolfshunde und Dulux-Hunde, die alten englischen Schäferhunde, und bald war mein Kopf erfüllt von Hunden, die bellten und winselten und schnauften.
    »Große Hunde.«
    Sie klappte das Döschen zu, und der Lärm wurde abrupt unterbrochen. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und taumelte im ersten Moment.
    »Ganz ruhig«, sagte sie und hielt mich am Ellbogen fest.
    »Was war das denn?«
    »Vorsichtsmaßnahme. Eine kleine Rekonfiguration des Kortex. Die großen Hunde bedeuten nur, dass du abgefüllt bist – es ist wie die Pfeife an einem Wasserkessel. Merk dir die Uhrzeit. Wir haben zwei Stunden, so lange sind wir in Sicherheit.«
    »Ich habe Farbe gesehen. Echte Farben. Und einen Puka.«
    »Eigentlich ist er ein Bote. Eine fehlende Seite in einem verloren gegangenen Buch. Er ist immer da, und er sagt immer dasselbe.«
    Ich hörte gar nicht richtig zu. Dazu hatte ich viel zu viele Fragen.
    »Was für Vorsichtsmaßnahmen? Und wieso haben wie nur zwei Stunden? Zwei Stunden wozu?«
    »Alles zu seiner Zeit, Roter. Jetzt komm, wir müssen Courtland einholen.«
    »Der Bote hat irgendwelche Gordini-Protokolle erwähnt. Was sind das für Protokolle?«
    »Vertrau mir, Roter. Alles zu seiner Zeit.«
    Courtland wartete an einem aus Steinen errichteten Rathaus auf uns, es war von starkem Efeubewuchs völlig eingehüllt und beachtliche zwei Geschosse hoch.
    »Ich dachte schon, ich hätte euch verloren«, sagte er. »Guckt euch das an!«
    Er zeigte in das Innere des Hauses. Das Dach war vor langer Zeit eingestürzt, der Boden von einem dicken Moosteppich bedeckt. Gleich hinter der Türöffnung hing ein elegantes Fahrzeug, etwa so groß wie ein Ford, in der Luft. Es war auf jeden Fall ein Gefährt, nur ohne Räder und zur Gänze aus schwebendem Material konstruiert. Trotz eines dichten Geflechts aus Kriechpflanzen, das sich von oben darauf herabsenkte, baumelte es frei und ungehindert. Ein etwa meterhoch an den Innenwänden des Rathauses umlaufender Streifen zeigte an, dass es von Luftströmungen erfasst worden und dabei am Putz entlanggeschrammt war. Einzig und allein das in sich zusammengefallene Tor, das den Eingang blockierte, hatte bisher verhindert, dass es ganz aus dem Gebäude heraus und aufs Meer hinaus getrieben war. Ich berührte das seltsame Gefährt mit der Hand, doch so fest ich auch daran zog, es geriet nur minimal ins Schaukeln.
    »Mindestens sechshundert negative Pfund«, sagte Courtland. »Ein vollständig erhaltener Schwebling. Hier findet man Schätze im Überfluss! Ich bin froh, dass ich mitgekommen bin.«
    Ich sah Jane an, aber wir sagten nichts. Wir zogen weiter. Zu der Straße, der wir bis hierher gefolgt waren, kam sehr bald eine zweite, die sich von Norden heranschlängelte. Das Gehen fiel allerdings nicht leichter, im Gegenteil. Die Straße war übersät mit grasbewachsenen Trümmern und Schotter, seit Urzeiten verrosteten Wracks, halb verkümmerten Bäumen, die tapfer versuchten, auf dem mageren Boden zu wachsen, und hier und da undurchdringlichem Rhododendron, um den wir herumgehen mussten und der unser Fortkommen noch mehr verlangsamte.
    »Wo fängt die Perpetulitbahn an?«, fragte Courtland.
    »Ungefähr anderthalb Kilometer von hier.«
    Ich sah auf die Uhr.
    »Langsam wird die Zeit knapp. Wenn wir in dem Tempo weitergehen, können wir uns nur kurz umschauen, bevor wir wieder umkehren müssen.«
    »Länger will man sowieso nicht bleiben.«
    Nachdem wir eine halbe Stunde über Geröll und Trümmer gekraxelt waren, kamen wir endlich an die Perpetulitbahn. Es war eine vierspurige Straße aus einer perfekten anthrazitfarbenen Verbundmasse, und die Bronzestifte waren in dichterem Abstand als an der Kahlen Landspitze in den Boden getrieben worden, sodass die Abspaltung nicht so gravierend war.
    »Munsell sei Dank«, keuchte Courtland, kippte die Erde aus seinem Schuh und setzte sich auf den schwarzglänzenden Mittelstreifen. Die Fahrbahn hatte sogar Perpetulit-Lampenmasten, die viel moderner waren als die aus Eisen, die ich von zu Hause kannte, und die Glühbirnen – sofern noch welche in den Fassungen steckten – leuchteten.
    Wir gingen die Straße entlang, die einem hier in dem entvölkerten Ödland noch viel widersinniger vorkam als zu Hause. Dort gab es immerhin Menschen, die sie benutzen konnten oder sie sich wenigstens mal anschauten, hier dagegen existierte sie nur zum Selbstzweck.

Löffel in Hülle und Fülle
    2.3.06.56.027: Blumen dürfen nicht gepflückt

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