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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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wissen, was hier eigentlich vor sich geht. Es ist die Zentrale.«
    Erneut schaute ich mich um, sah die Löffel, und mir fiel etwas ein.
    »Die Postleitzahlen dieser Leute wurden doch nicht alle neu vergeben, oder?«
    »Nein«, sagte sie. »Jetzt weißt du, warum das Kollektiv unterbevölkert ist.«
    »Aber die Einstigen zählten achtzig Millionen und mehr! Soll das heißen, dass die alle hierher oder an ähnliche Orte geschickt wurden?«
    Jane sah mich an.
    »Was mit den Einstigen passiert ist, weiß ich nicht.«
    »Und der Apokryphe Mann, weiß der es?«
    »Er hat vielleicht eine Erklärung, aber für ihn ist damit kein Gefühl verbunden, für ihn ist das Geschichte.«
    Ich schwieg und dachte nach. Es gab so viel Unbekanntes, und es gab so viel zu entdecken. Doch im Moment beschäftigte mich nur eine einzige Frage.
    »Warum haben nicht mehr Leute versucht zu entkommen? Wieso stellt man sich hierhin und wartet darauf, verschluckt zu werden?«
    »Wenn es so einfach wäre! Glaub mir, Eddie, du hast wirklich keine Ahnung.«
    Sie sah zur Sonne, um die Zeit abzuschätzen.
    »Wir müssen gehen. Wenn ich euch erst nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause bringe, würde es nur unnötig Verdacht auf mich lenken.«
    »Aber du wärst dazu in der Lage, oder?«
    »Du weißt gar nicht, wie schön der Nachthimmel ist.«
    »Ich kann es mir vorstellen.«
    »Nein, das kannst du nicht. Das Gleiche gilt für Glühwürmchen, die alle gemeinsam leuchten in einer mondlosen Nacht.«
    »Glühwürmchen?«
    »Siehst du, habe ich doch gesagt. Du hast keine Ahnung. Und da ist auch der Mond.«
    »Den kann ich erkennen«, sagte ich. »Wenn auch nur schwach.«
    »Ich meine nicht den Mond an sich«, erwiderte sie. »Ich meine die Lichter auf der unbeschienenen Seite der Sichel. Es gibt noch andere leuchtende Pünktchen in der Nacht – winzige Lichtsprengsel, die sich kreuz und quer am Himmel bewegen.«
    Sie lachte mich an. Es war ein müdes, dennoch erleichtertes Lächeln. Sie hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen.
    Ich ging zu Courtland, der sich mit Löffeln belud, so gut er konnte. Die beiden Ranzen hatte er bereits vollgepackt, ebenso seine Taschen, seine Schuhe, und sogar in den Händen hielt er welche. Er hätte sie sich noch in die Ohren gestopft, wenn es möglich gewesen wäre.
    »Was ist?«
    »Wir gehen.«
    »Ist mir recht. Ich zahle jedem von euch zwanzig Meriten, wenn ihr die Ranzen für mich tragt.«
    Wir sagten ihm, seine unrechtmäßig erworbenen Schätze könne er alleine tragen, und verließen die Piazza. Courtland, trotz unserer Weigerung, ihm als Packesel zu dienen, war hin und weg. Er konnte sein Glück kaum fassen, und er plapperte unaufhörlich, dass er die Löffel ganz behutsam auf den Markt bringen werde, damit er nicht überschwemmt würde, und dass er einen Monat Zeit brauchen würde, um im Register zu überprüfen, ob die Postleitzahlen frei wären.
    »Die Präfekten sollen schließlich nicht auf dumme Gedanken kommen«, sagte er. »Auch wenn meine Mutter zu ihnen gehört.«
    Alles klirrte und klapperte an ihm, wenn er ging. Vor lauter berauschender Habgier waren ihm die Rebooter unter seinen Füßen gar nicht aufgefallen.

Courtland
    1.1.02.01.159: Die Hierarchie ist jederzeit zu respektieren.
    Das Gehen fiel leicht auf dem Perpetulit. Erst als wir die Abspaltung erreichten und die Straße wieder in ihren alten Zustand zurückfiel, mit dichtem Rhododendron und Grasbüscheln, verlangsamte sich das Tempo. Courtland war durch seine Last noch stärker behindert als wir, und sehr schnell fing er an zu schwitzen und wie eine Dampfmaschine zu keuchen. Als wir an die Stelle kamen, wo die Straße abbog, bat er um eine Pause.
    »Die lasse ich hier«, sagte er und erleichterte sich von allen Löffeln, außer denen in den Ranzen. »Wir sagen Amaranth, dass wir noch mal zurückkommen müssen, für eine neue Expedition.«
    »Wir kommen nicht zurück«, sagte Jane mit ruhiger Stimme. »Hier gibt es für niemanden etwas zu holen.«
    Courtland lachte.
    »Mit den Löffeln von hier können wir einen ganzen Colorgarten finanzieren. Altfarbensammeln kannst du ab jetzt vergessen. Ost-Karmin steigt voll ins Löffelgeschäft ein, und ich bin der Kopf des Unternehmens.« Erschöpft ließ er sich auf einem moosbewachsenen Betonbrocken nieder.
    »Seid ihr auch so müde, oder bin das nur ich?«
    »Menschen dürfen sich hier eigentlich gar nicht aufhalten«, sagte Jane und setzte sich auf einen umgestürzten Baum. »Nachdem der Zaun

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