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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Fandango, der uns geschickt aus dem Dorf herausmanövrierte. Der Ford war eine Viersitzer-Limousine, die nach Schmierfett, Leder und verbranntem Speiseöl roch und der man, obwohl über die Jahre kontinuierlich gepflegt, das Alter deutlich ansah. Wie alt das Fahrzeug tatsächlich war, konnte man nur ahnen. Das prä-Epiphanische Herstellungsdatum war zwar bekannt, jedoch nicht, wie viel Zeit zwischen diesem numerischen Datum und der Epiphanie vergangen war. Konservative Schätzungen lagen bei siebenhundert Jahren, aber es konnten genauso gut doppelt so viele sein – es ließ sich einfach nicht feststellen.
    Wir nahmen die Perpetulitbahn, die sich Richtung Süden schlängelte, kamen an dem Holzlager vorbei, dem zehn Hektar großen Glashaus, an Scheunen und an der Abfallfarm. Nach einem kurzen Halt an der Verbundsteinmauer, um das Metallgatter zu öffnen und in einem extra dafür vorgesehenen Kabuff unsere Farbkennzeichen zu hinterlegen, gab Fandango Gas, und schon bald hatten wir die Außenmarkierungen passiert und rasten in einem unglaublichen Tempo weiter. Rostberg lag gut zwanzig Kilometer entfernt, und bei der Geschwindigkeit wären wir in einer halben Stunde da.
    Im Gegensatz zu allen anderen prä-Epiphanischen Fahrbahnen, die sich die Natur im Laufe der Jahrhunderte zurückerobert und bis zur Unkenntlichkeit zerrüttet hatte, sorgte das starke Gedächtnis des Perpetulits dafür, dass diese Straße in ihrem beinahe ursprünglichen Zustand erhalten blieb. Glatt, gut kanalisiert und bis in alle Ewigkeit hindernis- und barrierefrei. Doch wenn auch kein Schutt und Geröll herumlag, waren auf dem dunklen, grauen Belag doch organische Rückstände zu erkennen, spinnennetzartige Abdrücke umgestürzter Bäume, die zur Versorgung des sich selbst erhaltenden Organoplastoids absorbiert worden waren. Am Rand der Perpetulitbahn sah es anders aus, das Unterholz wucherte unkontrolliert bis hinauf zur Bordsteinkante, und die Bäume links und rechts neigten sich zur Straßenmitte hin, ihre Äste über unseren Köpfen ineinander verschlungen. Man hatte das Gefühl, sich in einem langen, perfekt geformten pflanzlichen Tunnel zu befinden.
    Ich hatte Hunderte Fragen, die ich Fandango gerne gestellt hätte, zu verschiedenen Themen, angefangen bei dem Ford bis hin zum Gyro-Bike, von dem ich schon so viel gehört hatte. Da er aber ein Purpurner war, wenn auch nur helles Purpur, verlangte das Protokoll, dass ich abzuwarten hatte, bis er mich ansprach, und so blieb ich untätig sitzen und schwieg.
    Der Beruf des Werkmeisters war traditionell dem niedrigsten Purpurnen des Dorfes vorbehalten, was vermutlich darin begründet lag, dass man bei der Arbeit Umgang mit Technik hatte, die eigentlich bei einem Großen Sprung Zurück verbannt worden war, aber von der Zentrale eine Ausnahmegenehmigung erhalten hatte. Für diesen Posten brauchte der Rat eine Person, der er vertrauen konnte. Werkmeister teilten sich in zwei Kategorien, einerseits solche, die spektralaufwärts strebten und ihren Job als einmalige Gelegenheit begriffen, um ihr Verantwortungsbewusstsein zu demonstrieren; und andererseits solche, die spektralabwärts gefallen waren, die ihrem alten Status nachjammerten und die ihre Berufung auf diesen Posten und ihre Tätigkeit als niedere Arbeit betrachteten, die eigentlich viel eher für Graue geeignet wäre. Carlos Fandango fiel offenbar unter die erste Kategorie.
    »Gibt es in eurem Dorf auch einen Ford?«, fragte er schließlich.
    Wir hatten sogar acht Fords, sechs davon allerdings gehörten zum Fuhrpark des Mobilen Bereitschaftsdienstes bei Blitzeinschlag. Er sagte, Karmin habe noch ein zweites Model T, einen Pritschenwagen, für die Jagd auf Kugelblitze, und dann fragte er, wie mein Dorf es fertiggebracht habe, in Zeiten großer Knappheit so viele Fords anzuhäufen.
    »Bei dem letzten Großen Sprung Zurück hatten wir einen sehr weitsichtigen Rat«, erklärte ich, »der sich im Hinblick auf die Zukunft und zu einer Zeit, als Ventilsteuerung und Heavy Austins noch weit verbreitet waren, acht Model Ts gesichert hat. Dieses Jahr haben wir zwei Darracqs und einen DeDion Bouton erstanden, die zum Einsatz kommen, wenn die Fords ausgedient haben.«
    »Die Fords werden sie niemals zur Rücksprungtechnologie erklären«, sagte er, »dazu sind sie viel zu nützlich.«
    Es klang wenig überzeugt. Das externe Telefonnetz war so nützlich gewesen wie nur irgendwas, und auch das war verschwunden. Er fragte mich, woher ich käme, und als ich es

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