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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Esstischen umher, ging vor bis zum Serviertisch, bediente sich bei den Brötchen und spazierte wieder hinaus. Von der Malve ignorierte ihn und fuhr fort, als wäre nichts gewesen.
    »Viele von Ihnen wissen, dass die Große West-Pipeline damals bis Rostberg verlegt wurde«, sagte er, »und wie in der Vergangenheit bereits angedeutet, habe ich mich mit der Zentrale in Verbindung gesetzt, um zu erreichen, dass der Nebenstrang weiter bis nach Ost-Karmin verlegt wird und wir in das Colorierungsprogramm von NationalColor aufgenommen werden.«
    Aufgeregtes Raunen erhob sich, als die Bewohner sich darüber klar wurden, was für einen Chromatischen Reichtum ihnen das bescheren würde. Nicht nur einen kleinen Garten, sondern die ganze Umgebung des Dorfes – Bäume, Gras und Blumen. Ost-Karmin würde bekannt werden und könnte, wenn das Glück es wirklich gut meinte, die nächste Gute-Laune-Messe ausrichten.
    »Am heutigen Tag nun«, fuhr von der Malve mit seiner Ansprache fort, »haben wir Besuch von einem Repräsentanten von NationalColor erhalten, und obgleich es nicht ganz dem entspricht, was wir uns gewünscht hätten, hat sich für unser Anliegen möglicherweise eine Lösung ergeben. Seine Farbenprächtigkeit wird Sie darüber informieren.«
    Der Colormann trat zu von der Malve ans Pult. Seine Stimme war gebieterischer als die seines Vorredners, aber sie hätte auch heiserer und piepsiger klingen können, das war egal, denn hier sprach immerhin ein Mann von NationalColor zu uns. Er stand für die Befreiung aus einer öden Welt, er war die Verkörperung der Worte Munsells. Jeder hatte Ehrfurcht vor NationalColor, selbst die Zentrale, munkelte man.
    Jade-unter-der-Limone war bereits ans Netz angeschlossen, deswegen ließ mich die Aussicht einigermaßen kalt. Ich war nicht der Einzige. Verstohlen sah ich hinüber zu Jane, die auf die Tischplatte starrte und mit einem Fingernagel Dreck von ihrem Messer kratzte.
    »Zunächst möchte ich mich für die Gastfreundschaft bedanken, die mir Ihr Dorf gewährt hat«, fing der Colormann seine Rede an. »In aller Bescheidenheit nehme ich die mir entgegengebrachte Freundlichkeit an. Gleichzeitig fühle ich mich geehrt, am Sonntag den Ishihara für die acht Bewohner durchführen zu dürfen, die ihr zwanzigstes Lebensjahr erreicht haben und nun bereit sind, der Gesellschaft gegenüber ihre Zivilen Verpflichtungen auf produktive und sinnvolle Art abzuleisten.«
    Eine gelungene Einleitung, sie war harmlos und enthielt nichts Kontroverses. Damit hatte er die Aufmerksamkeit aller Zuhörer. Nachdem er betont hatte, in dem Streben nach voller Colorisierung habe jedes Dorf gleichermaßen Beachtung verdient, skizzierte er die Arbeit, die NationalColor im Dienste aller Bewohner versah. Farbe sei ein Privileg, das man sich verdienen müsse, kein selbstverständliches Recht. Es hörte sich an wie eine Rede, die er bereits viele Male gehalten hatte, was sicher der Fall war, denn fast alle Dörfer wollten ein und dasselbe – mehr Farbe. Erst in seinem abschließenden Satz kam er auf den Boden der Tatsachen zurück.
    »Der Anschluss ans Netz ist unweigerlich verknüpft mit den Zielvorgaben für die Altfarbensammlung, die wider Erwarten, wie ich leider feststellen muss, nicht erreicht wurden, bei weitem nicht.«
    Diese Bemerkung richtete er an die Präfekten, die peinlich berührt waren.
    »Sollte sich jedoch der Umfang der Lieferungen an Zentral-Recycling steigern«, fuhr er fort, »ist NationalColor selbstverständlich gerne bereit, Ihre Eingabe zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu prüfen.«
    Er bedankte sich für die ihm gewährte Zeit, wurde mit Beifall bedacht und kehrte zurück an seinen Platz.
    »Unser Dank gilt Seiner Farbenprächtigkeit für die Worte und Gedanken zum Thema«, sagte von der Malve, der sich wieder ans Rednerpult begeben hatte. »Ich möchte unmissverständlich klarmachen, dass an den verfehlten Zielvorgaben nicht unsere Sammler, Wäscher, Sortierer und Packer die Schuld tragen, die seit vielen Jahren hervorragende Arbeit leisten. Nein. Das Problem hat zwei Ursachen: zunehmende Ausbleichung, worauf wir keinen Einfluss haben, und Mangel an Rohmaterial, und dort sollten wir ansetzen.«
    Er machte eine Kunstpause.
    »Aus diesem Grund haben wir, gültig ab heute und in Abstimmung mit Harmonie, Klein-Karmin und Great Auburn, beschlossen, die Regeln zu lockern, wie weit Wertgutsammeltrupps ausschwärmen dürfen. Mit anderen Worten: Hoch-Safran ist wieder zugänglich.«
    Ich hatte

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