Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
Vom Netzwerk:
Der alljährliche Ishihara stellte die Dorfpolitik auf den Kopf, die Präfekten verhielten sich abwartend und erteilten relativ milde Strafen.
    »Master Edward?«, hörte ich eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah ein kleines Mädchen mit einem Klemmbrett. Sie war fesch gekleidet, trug ein Gelbes Farbkennzeichen, mehrere Ehrenabzeichen und eine Senior-Junior-Aufseher-Marke.
    »Hallo«, sagte ich betont freundlich. »Kann ich dir bei irgendwas helfen, meine Kleine?«
    »Ja. Spar dir deinen herablassenden Ton, sonst steche ich dir die Augen aus.«
    Mir blieb die Spucke weg.
    »So hoch kommst du doch gar nicht«, kanzelte Tommo sie ab. »Wir sind zu zweit, wie du siehst. Also mach dein blödes Häkchen in der Anwesenheitsliste und zieh Leine.«
    »Wenn ich aufrufe, musst du ›hier‹ sagen. So sind die Regeln. Wenn es dir nicht passt, melde ich dich eben wegen Behinderung eines Aufsehers dem Präfekten. Dann musst du dich vor dem Präfekten verantworten.«
    »Hau ab, Kurze«, brummte er, »und wenn du das gemacht hast, hau noch mal ab – und noch ein drittes Mal, falls es bei den ersten beiden Malen nicht geklappt hat.«
    Sie kniff die Augen zusammen, machte ein finsteres Gesicht und ging.
    »Penelope ist die jüngste der Schwefels«, erklärte Tommo. »Courtlands Nichte und die Enkelin der Gelben Präfektin. Sie hat nicht so einen hohen Gelbanteil wie die beiden anderen, aber immerhin so viel, dass sie lästig werden kann.«
    Ein paar Minuten später kehrte Penelope mit ihrer Oma, der Gelben Präfektin, im Schlepptau zurück.
    »Was ist hier los?«, fragte Mrs Schwefel gebieterisch. Pflichtbewusst standen wir von unseren Stühlen auf.
    »Thomas Fox hat sich dem Protokoll verweigert«, schnaubte die kleine Göre selbstgerecht, »und dann hat er mir noch gesagt, ich soll abhauen, drei Mal.«
    »Stolz bekenne ich mich schuldig, das Wort abhauen in den Mund genommen zu haben«, sagte Tommo fröhlich, »und nach Artikel zweiundvierzig möchte ich mich uneingeschränkt bei Miss Penelope entschuldigen und bitte nach 6.3. 22.02:044 um nachsichtige Behandlung.«
    »Einverstanden«, erwiderte Schwefel. Offenbar war Penelope selbst in ihren Augen eine Pest. »Fünf Meriten Abzug – wegen Respektverweigerung gegenüber einem Aufseher der Anwesenheitsliste. Haben Sie überhaupt irgendwelche Meriten, Fox?«
    »Hundertachtzig. Minus.«
    »Dann sollten Sie schleunigst welche abbüßen bis zu Ihrem Ishihara, finden Sie nicht?«
    Penelope grinste breit und hatte bereits ihr eigenes Meritenbuch gezückt, um sich die Prämie von einer halben Merite eintragen zu lassen. Schwefel bat Tommo noch, sich die Strümpfe hochzuziehen, dann ging sie wieder, und Penelope hüpfte neben ihr her.
    »War es das wirklich wert?«, fragte ich Tommo, nachdem wir uns wieder hingesetzt hatten.
    »Klar«, sagte Tommo schmunzelnd, übergab wie selbstverständlich Penelopes Bleistift einem Komplizen in der Nähe, der ihn einsteckte und sich rasch aus dem Staub machte. »Und pass mal auf, was unsere kleine Freundin jetzt macht.«
    Wir sahen uns nach Penelope Schwefel um, just in dem Moment, als sie merkte, dass sie ihren Bleistift verloren hatte. Erst sah sie in all ihren Taschen nach, dann suchte sie zunehmend verzweifelt den Boden ab.
    »Zwei Demeriten für den Verlust von öffentlichem Eigentum«, sinnierte Tommo, »und noch einen für die verspätete Abgabe der Anwesenheitsliste. Ich dagegen kassiere fünfzig Cent für den Bleistift auf dem Beigemarkt.«
    Ich lachte.
    »Also«, setzte Daisy die unterbrochene Unterhaltung fort und wies mit dem Daumen in meine Richtung, »wen wird unser Russett nun heiraten?«
    »Tommo hat eine lebhafte Phantasie«, sagte ich, »aber sobald ich hier alle Stühle gezählt habe, bin ich weg. Das Ganze ist also rein hypothetisch.«
    »Eddie soll dein Mann werden, Daze«, sagte Tommo grinsend.
    Sie lachte, und ich fühlte mich unwohl.
    »Keine Sorge«, sagte sie und legte eine Hand auf meinen Handrücken, was sich warm anfühlte, »das ist nur Tommos Art von Humor. Du kannst heiraten, wen du willst, oder auch nicht.«
    Wenn es doch nur so einfach wäre. Sie zwinkerte mir freundschaftlich zu, dachte kurz nach und sagte dann: »Nur so, aus reiner Neugier: Mit wem müsste ich denn theoretisch um Russetts mutmaßliche Zuneigung konkurrieren?«
    »Tommos Schwester«, sagte ich.
    »Tommo hat gar keine Schwester«, sagte Daisy.
    »Die habe ich aus rein rechnerischen Gründen meiner Eheliga hinzugefügt«, gestand Tommo

Weitere Kostenlose Bücher