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Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
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und zog seinen erstaunten Hund in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. Der folgte aber und lief sogar wieder voran. Sauseles Trommelfell klopfte im Rhythmus seines Pulsschlags.
    Dreißig Schritte weiter blieben er und sein Herz stehen. Nur Wotan wollte weiterrennen. Er zerrte wie wild und bellte. Er hatte es sicher von Anfang an gewusst, dass die ganze Sache mit dem Geld, das er im Wald verstecken sollte, zum Himmel stank! Und hätte Sausele auf seinen Bauch gehört und nicht wieder mal so verdammt kopfgesteuert reagiert, dann wäre er auch nicht darauf eingegangen, hätte es einfach ignoriert! Aber das realisierte er nun offenbar zu spät.
    Jetzt kamen sie hinter der Wegbiegung hervor. Zwei Uniformierte. Sie liefen ihm zügig entgegen.
    Sausele bekam einen Tunnelblick. Sein Kreislauf spielte verrückt. Er ging wie in Trance einfach weiter auf die Polizisten zu, bis einer rief: „Herr Sausele, bleiben sie stehen und halten Sie ihren Hund fest, sonst müssen wir schießen!“
    Nun wusste er endgültig, es war vorbei. Einer der Polizisten führte sein Sprechfunkgerät zum Mund, sagte etwas und schaltete auf Empfang um. Sausele hörte erneut das bekannte Knacken aus dem Gerät. Ohne sich umzudrehen, wusste er, dass er vorhin richtig getippt hatte: Das gleiche Geräusch, das er nun etwas weiter weg hinter sich hörte, stammte ebenfalls aus dem Walkie-Talkie eines Polizisten, der ihm aus der anderen Richtung kommend den Weg abschneiden wollte.
    Die beiden Männer in Zivil nahm er erst wahr, als einer von ihnen zu ihm sagte, er sei festgenommen wegen des dringenden Tatverdachts der Anstiftung zum Mord. Jetzt erkannte er sie. Es waren die zwei Kripoheinis. Er nahm es nicht mehr als Realität wahr, dass sie ihm den Hund abnahmen und ihm selber Handschellen anlegten. Wie ein programmierter Roboter protestierte er noch, fragte, was das Ganze solle, und verlangte einen Anwalt. Aber das alles nur der Form halber. Er wusste, das Spiel war aus.
    Als sie mit ihm wieder in die andere Richtung, zum Wanderparkplatz, gingen, bellte Wotan zwar aufgeregt, aber wedelte mit dem Schwanz, weil er sich freute, dass es nun wieder auf der gewohnten Route weiterging.
    In Sauseles Kopf lief der Morgen, an dem das verhängnisvolle Spiel begonnen hatte, wie ein Film im Zeitraffer ab: Es war am Montag vor einer Woche gewesen, am Ende dieses Waldweges, als er den Zwillingsbruder des jungen Ukrainers, der hier oft joggte, das erste Mal getroffen hatte. Dort, wo der Weg mitten im Wald auf die Straße traf, wo er jetzt Blaulicht blinken sah, hatte der Typ im Jogginganzug an seinem Auto gestanden und Dehnübungen gemacht.
    Er hatte Sausele gefragt, wie weit es noch bis Lauffen sei. Da war für Sausele sofort klar gewesen, dass das nicht der war, den er sonst manchmal hier sah. Wotan hatte ihn angekläfft, was er bei dem anderen nie gemacht hatte. Und auch sonst bei keinem.
    Der Ukrainer hatte aber keine Angst gezeigt, sondern ruhig gemeint, er mache nichts, und: „Hund brauche keine Angst haben.“
    Dann waren sie ins Gespräch gekommen.
    „Gute Luft am Morgen. Gut für Mensch und Tier“, hatte der Typ gesagt.
    Er hatte Wotan gestreichelt und das makellose Aussehen des Tieres gelobt. Zweifellos war er ein Hundekenner.
    „Ja, wir gehen jeden Tag raus, bei jedem Wetter, stimmt's Wotan?“, hatte Sausele dann gesagt.
    „Auch, wenn viel Schnee liegt?“, hatte der Ukrainer, anscheinend mit Bewunderung, gefragt.
    „Immer, ob's stürmt oder schneit. Wir sind nicht zimperlich.“
    „Aber im Wald fährt keine Schneeauto, oder wie heißt?“
    „Nein, hier fährt kein Schneepflug. Das macht uns aber nichts aus“, hatte er erwidert. Und gelacht. Damals noch.
    „Wir gehen immer den gleichen Weg, komme was wolle.“
    Der Ukrainer war verblüfft gewesen, als Sausele ihn plötzlich gefragt hatte, ob er seinen Bruder besuchen wollte. Und dann hatte der Geschäftsmann dem Fremden aus Gewohnheit auch noch seine Visitenkarte gegeben!
    „Vielleicht läuft man sich noch mal über den Weg.“
    Mit diesen Worten hatten sie sich vor jetzt schon gut zwei Wochen verabschiedet. Und genau so war es dann auch gekommen. Das war eben Schicksal.

    Heute nun, wieder an einem Dienstagmorgen, aber zwei Wochen später, zwanzig nach acht, war, ganz anders als sonst um die Zeit, Hochbetrieb auf dem Wanderparkplatz.
    Die Autos, die auf der Landesstraße nach und aus Lauffen kommend vorbeifuhren, drosselten ihr Tempo. Vermutlich weniger wegen der Glatteisgefahr hier im

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