Graue Schatten
nicht dienen, noch nicht. Nach der Obduktion sind wir schlauer. Und das Hämatom werde ich noch genau dokumentieren.“
„Danke dir.“
Strobe wandte sich dem Kriminaltechniker zu, der ein paar Schritte weiter am Geröllhang fotografierte. Auch hier unten hatte er ein paar nummerierte Schilder in die Erde gesteckt.
„Wie sieht's bei dir aus, Norbert?“, sprach er ihn an. Der unterbrach seine Arbeit und drehte sich den beiden Ermittlern zu.
„Fußspuren gab es hier unten gar keine. Wer sollte sich auch hierher verirren? Oben, auf dem Weg, waren außer der Toten noch weitere Personen vor uns da. Uschi ist noch dran. Ich will mal versuchen, den Sturz zu rekonstruieren: Die Frau ist oben an der Kante auf der Eisfläche ausgerutscht, wahrscheinlich rückwärts durch das Gestrüpp, das da über den Rand wuchert, hindurch, kopfüber nach unten gefallen. Sie ist auf diesem Stein dort mit dem Kopf aufgeschlagen, dann bis zu der Stelle gerutscht und gerollt, wo sie jetzt liegt.“
„Ist sie wirklich ausgerutscht oder wurde sie runtergestoßen?“, schaltete sich Schell ein.
„Kann ich nicht mit Sicherheit aus dem Verlauf des Sturzes ableiten. Möglicherweise hat sie einen Schups bekommen, kann auch sein, sie ist wirklich nur auf dem Eis ausgerutscht. Die Schuhspuren oben werden uns dazu vielleicht mehr erzählen, wenn wir sie ausgewertet haben. Hier unten bin ich gleich fertig.“
Schell schaute sich noch einmal die Leiche an und fragte den Rechtsmediziner: „Hatte die Frau irgendwelche Drogen, ich meine starke Medikamente, eingenommen?“
„Nichts, was äußerlich erkennbare Spuren hinterlassen hat. Morgen mehr dazu.“
„Also, Arbeit macht das Leben süß ...“ Strobe schaute misstrauisch die Leiter hoch.
„Faulheit stärkt die Glieder“, ergänzte Dr. Schmidtke.
Während Strobe wieder nach oben kletterte, fragte er sich, wie sie die Leiche da hinauf kriegen würden – von unten kam man mit dem Auto nicht mal in die Nähe der Fundstelle. Da war weit und breit nur Wald und Gestrüpp zu sehen. Aber das sollte nicht sein Problem sein.
Uschi war noch immer mit den Fußspuren beschäftigt. Als Strobe erwartungsvoll aus respektvoller Distanz zu ihr schaute, sagte sie: „So, ich dürfte jetzt fast alle Abdrücke haben. Soviel steht fest, außer der Verunglückten waren noch mindestens zwei Personen hier, vom Streifenpolizisten, der sich an der Suche beteiligte, abgesehen. Auch er hat einiges zertrampelt, zum Glück nicht hier, an dieser Stelle.“
Sie zeigte auf den vereisten Stein. „Die Frau ist von da, wo du gerade stehst, gekommen.“
Strobe schaute nach unten und trat reflexartig einen Schritt zurück.
„Keine Sorge, da oben ist eh nichts mehr zu erkennen. Dafür haben ihre Schuhe hier auf dem überfrorenen Schlamm ausreichend deutliche Spuren hinterlassen. Und die zeigen, die Frau hat sich im Laufen umgedreht. Genau da hat sie gestanden, mit dem Rücken zum Abgrund. Sie hat noch zwei kleine seitliche Schritte gemacht und ist dabei ausgerutscht, sieht man hier ganz deutlich. Und da an der Hecke am Rand habe ich ein paar Fasern von ihrem Mantel gefunden.“
„Was ist mit den anderen Schuhspuren? Kannst du einen Hinweis darauf erkennen, dass jemand dabei war, als sie abgestürzt ist?“
„Wie gesagt, es waren mehrere Personen hier.“ Sie zeigte wieder auf die vereiste Stelle. „Vom Schutzpolizisten abgesehen ist mindestens eine davon bis zu dieser Stelle an der Hecke am Rand gegangen. Zum Teil überlagern sich die Spuren. Ich denke, die zweite Person ist nach der verunglückten Frau an diese Stelle getreten. Ob jene Person die Verunglückte berührt hat, oder ob sie eine halbe Stunde später hier war, sagen mir die Spuren allerdings nicht.“
„Es wäre also von der Anordnung der Abdrücke her möglich, dass die alte Dame den Felsen hinuntergestoßen wurde?“
„Möglich wäre es. Beweisen kann ich's nicht.“
„Stammen die Spuren von Arbeitsschuhen oder eher von Winterschuhen?“
„Ich würde sagen, Arbeitsschuhe, wie sie in auch Krankenhäusern getragen werden. Jedenfalls sind es keine Winterschuhe.“
„Das ist ja schon mal etwas.“ Wenn auch nicht viel, dachte der Hauptkommissar. Aber Kleinvieh macht auch Mist.
„Ich nehme zur Sicherheit eine Bodenprobe mit, zum Vergleich. Vielleicht müssen wir später noch beweisen, wer alles hier an diesem Ort war.“
„Du machst das schon. Wir sehn uns dann später. Danke, Uschi.“
Zu den Streifenpolizisten sagte er: „Ich glaube,
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