Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Graue Schatten

Graue Schatten

Titel: Graue Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Nimtsch
Vom Netzwerk:
aufgewacht und gleich wieder eingeschlafen. Die Glocke hatte in Greifweite über ihrem Bett gehangen, wie immer. Er war dann wieder in den Ruheraum gelatscht.
    Oder?
    Ja. Klar, was sonst! Und dann war er wohl doch eingepennt. Seine innere Uhr musste ihn kurz vor der dritten Runde geweckt haben. Weiter war doch nichts passiert ...
    Abgesehen von seiner fatalen Fehleinschätzung.
    Aber das war ja der Punkt! Niemand wusste davon, doch irgendjemand strickte an einer hinterhältigen Intrige, versuchte ihn zu einem Mörder zu machen! Der anonyme Hinweis auf die Todesfälle! Das mit dem Giftschrank! Das Verschwinden und der seltsame Tod der Müller! Das stank doch alles zum Himmel.
    Und in dieser verdammten Nacht da war durchaus noch etwas passiert, das ihm nicht mehr einfiel! Oder seine Nerven waren einfach so überreizt, dass sie ihm etwas vorgaukelten.
    All diese Gedanken fuhren in Kevins Kopf Karussell, bis er am Morgen Schlüssel vor der Zellentür klappern hörte.

Samstag

    „Wo bleibt Strobe?“ Kriminaloberrat Bachmüller trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch herum. Die Besprechung war für acht Uhr angesetzt worden.
    „Der lässt sich noch einen Kaffee aus der Espressomaschine“, antwortete Schell, der in einem der lederbezogenen Drehstühle Bachmüller gegenüber lümmelte.
    Strobe hatte die Espressomaschine letztes Jahr von den Kollegen zum fünfzigsten Geburtstag geschenkt bekommen. Alle aus der Abteilung hatten etwas dazugegeben. Infolge der einfachen Handhabung hatte sich seitdem sein Kaffeekonsum von drei auf mindestens sechs Tassen pro Tag erhöht, sofern er nicht außer Haus unterwegs war.
    Endlich kam der Hauptkommissar mit der dampfenden Tasse zur Tür herein, stellte sie eilig auf Bachmüllers Schreibtisch ab und wedelte mit der Hand.
    „Manche mögen's heiß, gell, Herr Strobe?“, witzelte der Chef.
    „Aber nur da drin.“ Der Hauptkommissar zeigte auf seine Tasse.
    „Wieso? Ist bei dir der Ofen schon aus?“, fragte Schell diskret leise mit ernster Miene.
    „Und du kriegst gleich einen Satz heiße Ohren, Bub.“ Strobe holte andeutungsweise aus.
    „Ich glaube, meine Anspielung hat der Herr Schell völlig falsch verstanden“, lächelte Bacchus. „In seinem Alter trüben halt gewisse Hormone manchmal das Denkvermögen. Noch. Ich bin übrigens im gleichen Alter wie Herr Strobe, nur zu Ihrer Information. Aber lassen wir das und kommen wir zu einem ernsteren Thema: Ich habe Ihren Bericht gelesen, gute Arbeit. Die Beweislage scheint sich ja gegen unseren Verdächtigen zu verdichten.“
    „Wo ist Dr. Schmidtke?“, fragte Strobe unpassenderweise. Er stand noch immer herum, als könnten sie ohne den Rechtsmediziner nicht anfangen.
    „Kommt fünf Minuten später. Setzen Sie sich endlich.“ Bacchus deutete mit seinem Kugelschreiber auf den Stuhl ihm gegenüber.
    „Sie sind ja gestern noch richtig fleißig gewesen. Also ich fasse mal kurz zusammen und Sie ergänzen oder berichtigen mich, wenn etwas nicht stimmt“, fuhr Bacchus fort. „Ich fang mal mit dem relativ eindeutigen Fall an: mit der Tötung von Frau Marta Sausele.“ Er legte den Stift geräuschvoll auf den Tisch.
    „Linde war der einzige zum Todeszeitpunkt in diesem Stockwerk Anwesende, das heißt, am Sonntag, den dreizehnten elften, nachts gegen zwei Uhr. Er selber hatte wie jeden Abend neunzehn Uhr dreißig alle fünf Eingänge des Hauses abgeschlossen. Im Haus waren nur noch die Heimbewohner und die zweite Nachtwache. Die hat ein Alibi für die Tatzeit, was Sie gestern gleich überprüft haben. Sehr gut.
    Gleich nachdem Sie die ersten Obduktionsergebnisse der Leiche der Sausele hatten, haben Sie den Bestand der Betäubungsmittel überprüft und sind fündig geworden. Morphium hat keins gefehlt, richtig?“
    „Richtig.“ Strobe nickte.
    „Dafür aber eine Injektionsampulle mit Diazepam – ein starkes Beruhigungsmittel. Laut Dr. Schmidtke ist das in Verbindung mit Morphium eine mögliche Todesursache. Die Tote hat an jedem Arm je eine Einstichstelle einer Spritzenkanüle. Am Tag vor der Mordnacht, also letzten Sonntag, hat der Hausarzt ihr wegen starker Schmerzen eine Morphiumspritze gegeben. Nur eine Spritze – nicht zwei! Auch das haben Sie sich gestern noch mal von dem Arzt selber bestätigen lassen. So weit die Fakten in diesem Fall. Alles richtig?“
    „Alles korrekt“, bestätigte Schell.
    Strobe nickte eher nachdenklich als zustimmend. Bachmüller fuhr unbeirrt fort: „Dieser Sachlage nach sieht es also so

Weitere Kostenlose Bücher