Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
ihm ein: der Typ mit dem Goldkettchen. »Der
andere?« Er vermochte nicht mehr dazu zu sagen.
»Das
ist unser Freund Robert Fischer. Seinen Namen kennst du auch aus unseren
E-Mails. Ein Apotheker im Ruhestand.«
Falkenstein
stand einem völlig überraschten Mullinger gegenüber. Um das Eis zu brechen,
versuchte er, ihn aufzumuntern: »Ich hab übrigens deine Abhandlung mit großem
Interesse gelesen. Wir werden darüber sicher noch ausgiebig diskutieren.« Er
wandte sich zum Eingang und schnallte seinen Rucksack ab. »Wo sind denn die
anderen?«
Mullinger
zuckte mit den Schultern und lehnte sich mit dem Gesäß an das Holzgeländer.
»Als ich heut früh aufgestanden bin, war keiner mehr da.«
»Wie?«,
entfuhr es dem Theologen. »Da ist außer dir keiner da?«
Mullinger
drehte sich wieder zu den Bergen. »Wie ich sage – keiner
da.«
Falkenstein überlegte, ob er jetzt gleich die Frage
stellen sollte, deren Beantwortung etwas Endgültiges, Unumkehrbares nach sich
ziehen würde. Aber es nutzte nichts, sie zu verschieben. »Und Karin … ? Karin ist … ?«
Mullingers ohnehin blasses Gesicht verlor auch noch die
letzte Farbe. »Du weißt es noch gar nicht?«
Falkenstein nickte langsam und schloss für einen Moment die
Augen. »Die endgültige Gewissheit fehlt mir noch.«
Der junge Mann schien mit der Situation überfordert zu
sein. »Sie ist tot«, flüsterte er. Der Pfarrer verzichtete darauf, weitere
Details zu erfragen, und deutete mit dem Kopf in Richtung Tür. »Da ist wirklich
keiner drin?«
»Nein«,
antwortete Mullinger und drehte sich wieder zu den Bergen. »Sie sind weg.«
»Was
heißt das – weg?«
»Als
ich heut früh aufgestanden bin, waren sie weg. Hab ich doch schon gesagt«
»Und
wohin?«
»Keine
Ahnung. Josefinas Geländewagen ist auch weg. Vermutlich sind sie ziemlich früh – oder
vielleicht heut Nacht noch – ins Tal runtergefahren.«
»Ohne
dich?« Falkenstein konnte seine Überraschung nicht verbergen. »Wieso
verschwinden die Hals über Kopf, ohne dich mitzunehmen?«
»Es hat
gestern Abend einige Differenzen gegeben, wenn ich das so sagen darf. Wegen der
Polizei, die hier war.«
»Die
Polizei war da? Hier oben? Polizei?« Falkenstein trat näher zu ihm und lehnte
sich an das Geländer.
»Sogar
ein Chefinspektor aus Innsbruck«, erklärte Mullinger. »Er hat uns alle nach
einem Alibi gefragt.«
»Alibi?«
»Ja, so
hat es Aleen empfunden.« Mullinger drehte den Kopf zu Falkenstein. »Er wollte
halt wissen, wie wir gestern hochgekommen sind und wie wir zu Frau Waghäusl
gestanden haben.«
»Das
ist doch legitim«, beruhigte ihn der Theologe. »Man darf nicht erwarten, dass
die Polizei so einen Todesfall einfach hinnimmt und stillhält.«
»Aber … «
Mullinger vergrub seine Hände jetzt tief in den Taschen seiner Windjacke. »Ich
weiß nicht, wie ich es sagen soll.«
»Ist da
etwas passiert, was mit Karins Tod zusammenhängen könnte?« Falkensteins
Instinkt schlug Alarm.
»Ich
kann das nicht sagen. Jedenfalls gab es hinterher, als die Polizei wieder weg
war, gegenseitige Vorwürfe, jeder habe etwas verschwiegen.«
»Verschwiegen?«
Falkenstein sah zwei Bergdohlen hinterher, die im Tiefflug an ihnen
vorbeigeflogen waren. »Was soll denn verschwiegen worden sein?«
»Genau
hab ich das nicht mitgekriegt. Aber es ging wohl um gewisse Ängste, die Frau
Waghäusl in letzter Zeit angedeutet haben soll. Da hat’s wohl in den letzten
Wochen mächtige Spannungen gegeben. «
»Konkret?«
»Nein,
nichts Konkretes. Mir schien so, als wollten sie es alle vor mir nicht
ansprechen. Es waren eher so diffuse Ängste, wie ich vermute. Aber … «
»Ja?«
»Um
ehrlich zu sein, Herr Falkenstein … ich
meine, Christoph, auch ich hab mir dann nicht alles zu sagen getraut.« Er sah
dem Pfarrer Hilfe suchend in die Augen. »Was hätte ich denn tun sollen? Ich bin
der Jüngste hier. Soll ich gleich am ersten Tag auspacken und zu Protokoll
geben, was mir aufgefallen ist? Hätte ich das tun sollen?«
»Beruhige
dich«, klopfte ihm Falkenstein freundschaftlich auf die schmale Schulter. »Wenn
du einen Fehler korrigieren willst, ist die Zeit dafür sicher noch nicht zu
spät. Ihr habt gestern alle unter Schock gestanden.«
Mullingers
Gesichtszüge entspannten sich. Die beiden Männer blieben eine halbe Minute lang
schweigend beieinanderstehen. Dann wagte der Student, eine Frage zu stellen,
die ihm auf den Nägeln brannte: »Was für ein Symbol ist eigentlich
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