Grave Mercy Die Novizin des Todes
Gegengifte, und obwohl wir Bezoarsteine hatten für den Fall, das irgendeines der Mädchen etwas Gift zu sich nimmt, habe ich jetzt keinen bei mir.«
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sie die Stirn runzelt. »Also trittst du jetzt aus dem Kreis des Klosters heraus und beginnst deinen eigenen Tanz mit dem Tod«, sagt sie, und ich verfluche ihre alten Augen, die zu viel sehen. Sie wiegt sich in ihrem Sessel hin und her. »Leider habe ich keinen solchen Stein. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe noch nie einen davon zu Gesicht bekommen.«
Ich frage sie, ob sie ein Gegenmittel gegen Arduinnas Köder kennt, aber sie hat nie davon gehört. Außerdem hat sie überhaupt keine Gegenmittel gegen Gifte, die durch die Haut aufgenommen werden, da Abführmittel in diesen Fällen nicht wirken. Meine Schultern sinken herab, als meine letzte Hoffnung zu Asche zerfällt. Als sie meine Bekümmerung sieht, tätschelt die alte Frau mir den Arm und sagt mir Lebewohl. »Es ist ein dunkler Gott, dem du dienst, Tochter, aber vergiss nicht: Er ist nicht ohne Gnade.«
Als ich nach Guérande zurückreise, rollen die Worte der Kräuterhexe wie lose Kieselsteine durch meinen Kopf, klappern und holpern gegeneinander, formieren und glätten sich. Ich bin als eine Person in die Hütte hineingegangen und als eine andere herausgekommen. Jetzt ist eine dünne Decke zwischen mir und der harten, kalten Verlassenheit, die ich verspürt habe, seit ich alt genug war, um zu verstehen, was meine Mutter mir in ihrem Bauch angetan hat.
Mein Verstand fliegt über alte Erinnerungen. Mit diesem neuen Wissen sind viele der kleinen Gesten und Tröstungen meiner Mutter plötzlich klar. Sie waren Ausdruck der Liebe, von der ich dachte, sie habe sie mir verweigert. Sie geschahen nicht einfach aus Pflichtgefühl, sondern waren kleine Rebellionen, mit denen sie ihrem Mann als einziger ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeit getrotzt hat.
Obwohl eine Last von mir genommen ist, kehre ich erschöpft und mutlos und ohne weitere Ideen in den Palast zurück. Ich bete, dass ich auf dem Weg zu meinen Räumen niemandem begegnen werde, und mein Wunsch wird erhört. Sobald ich in meinem Zimmer bin, sehe ich eine Krähe draußen vorm Fenster hocken. Mein Herz krampft sich in meiner Brust zusammen. Meine Nachricht von diesem Morgen kann das Kloster noch nicht erreicht haben. Sind es neue Befehle von der Äbtissin? Ein Aufschub?
Als ich die Fensterläden öffne, fliegt das Krähenmännchen herein. Er ist ein großer Bursche mit einem schiefen linken Flügel. Sybellas Krähe. Er ist nur bei ihr zahm, also brauche ich einen Moment, um ihm die Nachricht an seinem Bein abzuringen. Als es mir gelungen ist, sehe ich, dass es tatsächlich Sybellas Handschrift ist, und eine böse Vorahnung erfüllt mich. Sie hat sich nur ein einziges Mal mit mir in Verbindung gesetzt, um eine ernste Warnung auszusprechen.
Ich reiße die Nachricht auf und lese die auf das Pergament gekritzelten Worte.
Rieux und d ’ Albret haben Nantes eingenommen. Sie sind mit Soldaten in die Stadt einmarschiert, haben den Palast der Herzogin erobert und die Zinnen bemannt.
Mein Herz hört auf zu rasen, und ich spüre einen einzigen langsamen, schmerzhaften Schlag in der Brust. Eben die Männer, die unsere Herzogin unterstützen und leiten sollten, haben eine offene Rebellion angezettelt.
Die Konsequenzen dieses Tuns sind gewaltig. Nantes ist der Rückzugsort der Herzogin, die größte, am besten befestigte Stadt in der Bretagne. Ihre Heimat. In der Tat, sie hat nur darauf gewartet, dass die Pest das Gebiet verlässt, damit sie zurückkehren kann.
Aber jetzt wurde er ihr genommen. Und ohne ein erhobenes Schwert oder einen abgefeuerten Schuss. Die einzig gute Nachricht, die ich dieser Niederlage abringen kann, ist die: Nachdem Rieux nach Nantes gegangen ist, besteht kein Zweifel mehr, dass Crunard der Verräter sein muss.
Fünfundvierzig
CRUNARD IST ALLEIN, ALS die Wache mich in seine Gemächer geleitet. Ich mache einen respektvollen Knicks. »Gnädiger Herr, ich habe dringende Nachrichten erhalten, die ich der Herzogin überbringen muss, und bitte Euch, mich zu begleiten, da sie Euren Beistand benötigen wird, sobald sie erfahren hat, was ich ihr zu sagen habe.« Ich hatte erwogen abzuwarten, um die Neuigkeiten mit Duval zu erörtern, bevor ich damit zur Herzogin oder zu ihrem Rat gehe, aber ich weiß nicht, wie schnell wir handeln müssen. Außerdem ist es schwer zu sagen, in welcher Verfassung Duval bis
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