Grave Mercy Die Novizin des Todes
er unternehmen? Da ich Crunards Absichten nicht kenne, kann ich mir nicht sicher sein, ob er uns nicht ermorden würde, während wir die Sache diskutieren. Außerdem behindert mich mein Versprechen Duval gegenüber: Die Herzogin in Sicherheit zu bringen. Wenn ich ihr von meinem Verdacht erzähle, wird sie Isabeau gewiss nicht verlassen. »Mir geht es gut, Euer Hoheit. Ich frage mich lediglich, was uns am Ende dieser Reise erwartet.«
Sie legt die Stirn in Falten. »Nichts Angenehmes, so viel steht fest.«
»Ihr sagt es, Euer Hoheit.«
Sie scheint geneigt, an meiner Seite zu verweilen, und ich spüre, wie sich etwas in meiner Brust regt, ein kleiner Vogel der Panik, der sich in die Lüfte zu erheben droht. Ich kann diese Maskerade nicht den ganzen Vormittag durchhalten, falls sie sich dafür entscheidet, neben mir zu reiten.
Hauptmann Dunois wirft mir einen mitfühlenden Blick zu und findet irgendeine Ausrede, um vorauszureiten. Als sie sich entfernen, rückt de Waroch an meine Seite und bleibt dort, als habe er Angst, dass ich selbst jetzt noch umkehren und zum Palast zurückgaloppieren könnte. »Lasst mich«, sage ich brüsk. »Ich werde mein Versprechen nicht vergessen.«
Das scheint ihn zufriedenzustellen. Er dreht um und galoppiert an seinen Platz im hinteren Teil der Gruppe, und ich bleibe allein zurück.
Neunundvierzig
WIR SIND ZWEI TAGE unterwegs, eine ernste, freudlose Truppe, und ein jeder von uns ist vertieft in sein eigenes Elend – vielleicht mit Ausnahme der Bestie, die die ganze Zeit über ein leicht wahnsinniges Grinsen zur Schau stellt. Als ich de Waroch nach dem Warum frage, sagt er, er stelle sich vor, was er tun werde, wenn er jene in die Hände bekommt, die die Herzogin verraten haben. Zum ersten Mal erhasche ich einen Blick auf seine brutale, wilde Seite, die ihm den Namen Bestie eingetragen hat, und es ist furchterregend.
Wann immer ich in Erwägung ziehe, Hauptmann Dunois von meinem Verdacht gegen Crunard zu erzählen, ist er damit beschäftigt, Befehle zu erteilen, sich um die Sicherheit der Herzogin zu kümmern oder sich mit seinen Spähern zu beraten. Es gibt keinen Moment, in dem er nicht in Eile ist, keinen Moment, in dem er still meine Argumente anhören und mir eine Chance geben könnte, ihn zu überzeugen, daher bewahre ich Stillschweigen.
Spät am Nachmittag des zweiten Tages erreichen wir das Dorf Paquelaie. Diese Wintertage sind kurz, und wir erreichen das Dorf gerade, als die Dunkelheit uns einholt. Dunois führt uns zu einem steinernen Jagdhaus, das dem verstorbenen Herzog gehört hat, und hält nur gerade lange genug inne, um einen einzigen Soldaten auszuschicken, der eine Frau aus dem Dorf holen soll, um für uns zu kochen.
Obwohl wir eine kleine Gruppe sind, dauert es eine ganze Weile, bis alle Soldaten untergebracht sind und die Herzogin es sich in ihren Räumen bequem gemacht hat. Da ich die einzige weitere Frau in der Gruppe bin, obliegt es mir, ihr aufzuwarten.
Sie ist müde und blass, denn sie ist es nicht gewohnt, so hart und lange zu reiten, aber aufihrem Gesicht steht ein entschlossener Ausdruck. Wir haben keine Diener dabei, daher weist Dunois die Soldaten an, heißes Wasser in ihr Zimmer hinaufzubringen.
Wir sprechen nicht viel miteinander, während ich ihr bei der Abendtoilette helfe, denn ich habe Angst, dass ich, wenn ich den Mund öffne, alle Geheimnisse ausplaudern werde. Nachdem sie den Schmutz von zwei Tagen Reise weggewaschen hat, wird ein schlichtes Mahl heraufgeschickt. Ich leiste ihr Gesellschaft, während sie in ihrem Essen stochert, dann helfe ich ihr ins Bett, und sie entlässt mich für die Nacht. Aber durch meinen Aufenthalt bei ihr haben sich all meine Geheimnisse erneut in mein Bewusstsein gedrängt. Ich muss jetzt mein Bestes tun, um Hauptmann Dunois von meinem Verdacht zu überzeugen.
Ich finde ihn in der großen Halle mit der Bestie und de Lornay, wie sie gerade die letzten Reste eines Mahles verzehren. Die Männer schauen von der abgenagten Ente und dem Kapaun auf. »Wir haben angenommen, dass Ihr mit der Herzogin speisen würdet«, bemerkt Hauptmann Dunois einfältig.
Ich nicke. Soll er ruhig denken, dass ich oben mit ihr gegessen habe; es spielt keine Rolle, denn ich habe keinen Appetit und bin mir nicht sicher, ob ich auch nur einen einzigen Bissen herunterwürgen könnte. »Ich muss mit Euch reden.«
Dunois sieht die Bestie und de Lornay an. »Allein?«
»Nein, sie wissen bereits einiges darüber.« Ich lasse die Hand in
Weitere Kostenlose Bücher