Grave Mercy Die Novizin des Todes
Ihr, dass es Rieux war, der die Versammlung einberufen hat? Ist das der Grund, warum er so wütend ist?«
»Nein, ich denke, er ist wütend geworden, weil er die Versammlung nicht einberufen hat und weil es ihm nicht gefällt, daran erinnert zu werden, dass irgendjemand nicht nur Annes Autorität, sondern auch seine eigene missachtet hat.«
»Da Kanzler Crunard fast so lange vom Hof fort war wie ich, bleibt damit Madame Dinan als diejenige übrig, die die Versammlung einberufen hat. Aber zu welchem Zweck? Will sie den Heiratsantrag ihres Halbbruders im Beisein der Barone auf den Tisch bringen? Gewiss weiß sie, dass Anne ihn ablehnen wird. Was gewinnt sie, wenn sie das Thema auf solche Weise forciert?«
Hauptmann Dunois zuckt die Achseln. »Vielleicht soll das Treffen als eine Zurschaustellung von Unterstützung und Stärke dienen, um unsere französischen Gäste abzuschrecken?«
»Wohl eher die französische Pest«, murmelt Duval. »Vielleicht ist dieser Zeitpunkt so gut wie jeder andere, um den französischen Parasiten zu begrüßen.«
Dunois verneigt sich. »Ihr werdet mir verzeihen, wenn ich nicht verweile, um den daraus resultierenden Sturm zu beobachten«, sagt er, dann verabschiedet er sich.
Mit einem Seufzen bemerkt Duval: »Wenn der französische Gesandte ein Todesmal trägt, fühlt Euch frei, ihn sofort zu töten. Es würde uns allen eine Menge Ärger ersparen.«
Nur allzu erfreut über die Chance, mich Mortains Willen zu öffnen, lasse ich mich von Duval in die gegenüberliegende Ecke des Raumes führen, wo der französische Gesandte sitzt wie eine fette, braune Spinne, geduldig und schlau, während er sein sorgfältig gewebtes Netz spinnt. Er ist ein verschlagener Mann und wird umringt von feixenden, speichelleckenden Höflingen. Er rührt sich nicht, als Duval und ich näher kommen, aber ich spüre, dass er uns trotzdem mustert.
Als wir den Gesandten erreichen, wirft Duval einen abschätzigen Blick auf die Personen, die sich um ihn scharen. »Immer noch hier, Gisors?« Dass Duval nicht einmal Höflichkeit heuchelt, überrascht mich. Ich dachte, honigsüße Worte seien eine Bedingung hier bei Hof.
Der französische Adlige breitet die Hände aus. »Aber natürlich. Ich bin hier, um die Vormundschaft der jungen Anne zu beaufsichtigen.«
»Anne hat keinen Vormund«, kontert Duval. »Ihr seid hier, um die französischen Interessen zu wahren, und Ihr schert Euch nicht um unsere Herzogin.« Obwohl Duvals Worte scharf sind, spricht er sie beinahe fröhlich, als genieße er es, das sorgfältig gesponnene Netz zu zerreißen, das Gisors gewebt hat.
»Ts ts. So wenig Vertrauen, Duval.«
Duval macht schmale Augen. »Sagte der Wolf, als er an der Tür schnupperte.«
Während Duval Gisors mit dem Gespräch ablenkt, studiere ich den französischen Gesandten aufmerksam und suche nach irgendeiner Andeutung eines Mals, aber ich sehe nichts, nicht den geringsten Fleck oder Schatten irgendwo.
Als Gisors seinen verschlagenen Blick endlich auf mich richtet, verblüfft es mich, wie überaus grün seine Augen sind. Er lässt diese Augen träge meinen Körper hinunter- und wieder hinaufwandern, aber er sagt nichts, als nehme er meine Anwesenheit gar nicht zur Kenntnis. Unter meiner Hand versteifen sich die Muskeln in Duvals Arm, und er schaut mich an. Als ich schwach den Kopf schüttele, presst er enttäuscht die Lippen aufeinander.
Ohne unseren stillen Austausch auch nur im Geringsten wahrzunehmen, sagt Gisors: »Ich höre, Anne hat ein Schreiben vom Kaiser des Heiligen Römischen Reichs erhalten. Was hatte er zu sagen?«
»Ich glaube, das geht nur den Kaiser und die Herzogin etwas an.« Duvals milde Stimme passt so gar nicht zu der Anspannung in seinem Arm.
»Da er ein Verlöbnis anstrebt, das die französische Krone verbietet, geht es uns ganz gewiss etwas an.«
»Die Bretagne ist eine unabhängige Nation, und unserer Herzogin steht es frei zu bestimmen, wen sie erwählen möchte.«
Ich sehe Duval durch meine Wimpern hindurch an. Das ist nicht ganz wahr, und ich frage mich, ob Gisors den Bluff auffliegen lassen wird. Er tut es.
»Und ich möchte Euch an den Vertrag von Le Verger erinnern«, sagt der Gesandte. »Überdies ist die junge Anne noch nicht zur Herzogin gekrönt worden.«
»Eine bloße Formalität«, erwidert Duval, »da dieser Vertrag, den Ihr so gern zitiert, einräumt, dass sie das Herzogtum behält und es als Herzogin regieren wird.«
»Nur wenn sie den Mann heiratet, den die französische
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