Grave Mercy Die Novizin des Todes
Krone als ihren Gemahl sehen will.«
»Wir haben noch kein ernsthaftes Angebot gesehen, das Euer Regent vorgelegt hätte«, bemerkt Duval.
»Wir haben Euch zwei Angebote vorgelegt.«
»Einen geckenhaften niederen Baron und einen tatterigen Speichellecker, der älter ist als ihr Vater.« Duval deutet mit der Hand auf die gegenüberliegende Wand, wo ich zum ersten Mal einen alten, graubärtigen Höfling bemerke, der in einem Sessel döst. »Keiner ist auch nur im entferntesten passend.«
Gisors zuckt gleichgültig die Achseln. »Dann sind wir in einer Sackgasse angelangt.«
»Wieder einmal«, sagt Duval, dann verbeugt er sich knapp und führt mich davon. Als wir außerhalb Gisors’ Hörweite sind, betrachte ich noch einmal den dösenden Mann an der Wand. Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass sein Geist fahl wird wie eine Kerzenflamme, die schrumpft und flackert, bevor sie erlischt. »Es ist nur gut, dass die Herzogin nicht geneigt ist, den französischen Kandidaten als Ehemann zu akzeptieren. Dieser dort wird innerhalb von vierzehn Tagen tot sein«, sage ich zu Duval. Er bleibt stehen, und sein Blick folgt meinem. »Er trägt das Mal Mortains?«
»Nein, er stirbt lediglich an Altersschwäche oder an irgendeiner langsamen Krankheit.«
»Das könnt Ihr erkennen, indem Ihr ihn anseht?«
Ich nicke, erfreut darüber, dass er von meinen Gaben beeindruckt ist. Bevor Duval noch etwas sagen kann, schlägt jemand ihm eine massige Hand auf die Schulter.
»Das ist eine echte Leistung, Duval, in so kurzer Zeit schon zwei Männer verärgert zu haben. Zuerst Marschall Rieux und jetzt den französischen Gesandten.«
Als wir uns umdrehen, steht hinter uns ein Schrank von einem Mann. Er ist grobschlächtig und fett, und ein stachliger schwarzer Bart bedeckt sein Gesicht. Inmitten all dieser Schwärze stechen seine Lippen hervor wie nasse, rosige Schnecken. Seine halb geschlossenen Augen mustern mich mit der hungrigen Intensität eines Habichts. Etwas Kaltes und Beängstigendes schwimmt in ihren Tiefen, und dann ist es fort, so schnell und flüchtig, dass ich nicht weiß, ob es wirklich da war oder ob es lediglich meine eigenen dunklen Ängste waren, die erwachen.
Duvals Begrüßung ist alles andere als herzlich. »Graf d ’ Albret«, sagt er. »Was führt Euch nach Guérande?«
Dies ist der Mann, dem der verstorbene Herzog seine zwölf Jahre alte Tochter versprochen hat? Ich kann es kaum fassen.
D ’ Albret wirft Duval einen hinterhältigen Blick zu. »Immer ganz besonders geistreich, nicht wahr, Duval?«
»Man hofft es«, murmelt Duval trocken. »Erlaubt mir, Euch meine Cousine vorzustellen, Ismae Rienne.«
Ich blicke bescheiden zu Boden und mache einen tiefen Knicks.
»Ah ja, ich habe auch eine Cousine«, erwidert er. »Ich habe sie recht gern.« D ’ Albret ergreift meine Hand und führt sie an seinen schlaffen, fleischigen Mund. Abscheu, scharf und heiß, durchzuckt mich, und ich kann nur mit Mühe verhindern, dass ich nach meinem Messer greife. Als seine nassen Lippen sich auf meine Hand pressen, schaudere ich. Duval legt mir ermutigend eine Hand ins Kreuz, und ich bin dankbar für etwas, worauf ich mich konzentrieren kann, um d ’ Albrets Berührung zu verdrängen. » Enchanté, Demoiselle«, murmelt der Graf.
»Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, gnädiger Herr«, erwidere ich. Sobald sein Griff um meine Hand sich gelockert hat, reiße ich sie zurück und vergrabe sie in den Falten meines Rocks, wo ich sie, weil ich einfach nicht anders kann, abwische.
Graf d ’ Albret lächelt mich an, als seien wir die engsten Freunde, als teilten wir ein Geheimnis, in das Duval nicht eingeweiht ist. »Lasst Euch nicht von Duvals Gerede über Politik und Intrigen langweilen, Demoiselle«, fährt er fort. »Es gibt viel schönere Freuden am Hof.« Das lüsterne Grinsen auf seinem Gesicht lässt wenig Zweifel daran, an welche Freude er denkt.
»Meine Cousine ist jung und stammt vom Land, d ’ Albret. Eure Jagdgefilde liegen doch gewiss da, wo das Gras grüner ist.«
»Unsinn, Duval. Ich wollte Ihr nur das Gefühl geben, bei Hof willkommen zu sein. Schließlich kann es überwältigend sein, und sie wird schnell lernen, wie ernst und langweilig Ihr seid.« D ’ Albret wendet sich mir zu. »Wenn er Euch irgendwo in einer Ecke stehen lässt, damit er über Politik diskutieren kann wie ein alter Mann, werde ich Euch finden, meine Liebe.« Und obwohl sein Versprechen mir gewiss Albträume bescheren wird, lächelt
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