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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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Claysville, und ganz bestimmt schien sie sich nicht auf irgendein Armageddon vorbereitet zu haben.
    Und die gehorteten Lebensmittel und Spirituosen erklärten auch nicht, warum man sie umgebracht hatte.
    Byron schloss die Tür der Vorratskammer, stellte die Wasserflasche auf die Arbeitsplatte und stieg die Treppe hinauf. Er hatte keine Ahnung, wohin er eine Probe zum Testen schicken sollte, aber es wäre immerhin ein Anfang.
    Allerdings rief selbst verdorbenes Wasser keine solchen Verletzungen hervor.
    Oben wirkte alles vollkommen in Ordnung. Sogar die Betten waren gemacht. In dem Bad, das sich Ella und Rebekkah früher geteilt hatten, hatte jemand Handtuch, Badelaken, Waschlappen und eins dieser muschelförmigen Seifenstücke zurechtgelegt. Es wirkte anheimelnd.
    In dem Gästezimmer, das Rebekkah bewohnt hatte, lag eine zusammengefaltete Steppdecke am Fuß des Betts, und neben Maylenes Bett lag frische Wäsche auf dem Nachttisch, als sei sich die unbekannte Person, die hier aufgeräumt hatte, nicht sicher gewesen, ob sie die Bettwäsche wechseln sollte. Auch Byron hätte das nicht entscheiden können. Sein Vater hatte die Gegenstände, die seine Mutter täglich benutzt hatte, noch monatelang liegen gelassen und sogar ab und zu etwas von ihrem Parfüm versprüht. Der Schatten ihrer Anwesenheit hatte sich noch lange, nachdem sie nicht mehr war, über alles gebreitet.
    Einen Moment lang überlegte Byron, ob er sich setzen sollte, konnte sich aber nicht dazu überwinden. Es war eine Sache, Rebekkahs Haus zu betreten, um nach etwas zu suchen, einer Spur, nach irgendetwas, um die Fragen zu beantworten, die ihm Rebekkah mit Sicherheit stellen würde. Aber es war etwas ganz anderes, sich gemütlich niederzulassen.
    An der Tür blieb er stehen und erinnerte sich an das erste Mal, als Rebekkah mit dem Tod eines geliebten Menschen hatte fertigwerden müssen.
    Rebekkah saß auf der Bettkante. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, sie schluchzte heftig und rang nach Luft. Er hatte schon Kummer erlebt. In einem Bestattungsinstitut waren weinende Menschen etwas Alltägliches. Doch diese Menschen waren eben nicht Rebekkah. Ihren Schmerz zu erleben, war etwas anderes.
    Byron trat zu ihr und nahm sie in die Arme.
    »Sie ist fort«, sagte Rebekkah und schmiegte sich an seine Brust. »Tot, Byron. Sie ist tot.«
    »Ich weiß.« Er bemerkte, dass Maylene sie beide vom Flur her beobachtete. Sie kam nicht herein, sondern nickte ihm stattdessen aufmunternd zu.
    Rebekkah zerknüllte sein Hemd zwischen den Händen und hielt ihn fest. Er umfasste sie weiterhin mit den Armen, bis ihr wildes Schluchzen zu einem Schniefen geworden war.
    »Warum?« Sie hob das Gesicht und sah zu ihm auf. »Warum ist sie nur tot?«
    Doch dafür hatte er ebenso wenig eine Erklärung wie sie. In den letzten Tagen hatte Ella sich merkwürdig verhalten. Am Morgen hatte sie sich ohne Ankündigung von ihm getrennt. Sie hatten sich nie gestritten, keine Auseinandersetzung gehabt, und bis zu diesem Zeitpunkt hatte er geglaubt, sie sei glücklich.
    Was war passiert?
    Seit sie ihm erklärt hatte, zwischen ihnen sei es aus, hatte er kaum an etwas anderes gedacht. Sie war nicht wütend gewesen, nur traurig. Von alldem hatte er Rebekkah nichts erzählt, noch nicht. Innerhalb weniger Tage war so viel geschehen: Er hatte eine Freundin und eine gute Kameradin gehabt, dann hatte er befürchtet, sie beide zu verlieren, weil er Rebekkah geküsst hatte. Und jetzt hielt er Rebekkah in den Armen, während sie versuchten, sich einen Reim auf Ellas Tod zu machen.
    War es ihre Schuld gewesen?
    »Verlass mich nicht! Versprich es mir!« Rebekkah löste sich von ihm, krallte aber weiter die Hand in sein Hemd und starrte ihn an. »Sie hat uns verlassen, und jetzt … Sie hätte uns doch sagen können, was nicht in Ordnung war. Sie hätte mir alles sagen können. Warum hat sie bloß nicht mit mir geredet?«
    »Ich weiß es nicht, Bek.«
    »Schwör es mir, Byron!« Zornig wischte sich Rebekkah die Wangen ab. »Schwör mir, dass du keine Geheimnisse vor mir haben und nicht fortgehen wirst …«
    »Ich schwöre es.« Er spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil es sich so richtig anfühlte, Rebekkah dieses Versprechen zu geben. Ihre Schwester, seine Freundin, war tot. Rebekkah durfte für ihn nur eine gute Freundin sein – doch er hatte sie schon lange vor Ellas Tod anders gesehen.
    Und Ella hatte es gewusst.
    »Ich verspreche es«, wiederholte er. »Keine Geheimnisse, und ich werde

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