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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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dich nicht verlassen. Niemals.«
    Es war Rebekkah gewesen, die ihn ein knappes Jahr später verlassen hatte. Sie hatte Claysville und ihn verlassen.
    »Wie soll ich ihr nur sagen, dass du ermordet worden bist, Maylene?«, fragte er ins Leere hinein.
    Er öffnete die Türen zu den anderen Zimmern. Das dritte, Ellas altes Zimmer, war nicht aufgeräumt. Das Bett stand in einem unpersönlichen Raum, der mit allem möglichen Gerümpel zugestellt war. Maylene hatte ihrer toten Enkelin keinen Schrein errichtet – und auch ihrem verstorbenen Sohn nicht. Das Zimmer, das Jimmy gehört hatte, war inzwischen eine Rumpelkammer. Darin stapelten sich weitere Kisten, und noch mehr Krempel lag herum, aber es gab kein Bett. Sowohl Ellas als auch Jimmys Zimmer wirkten, als hätten weder der Mörder noch die Leute, die im Haus sauber gemacht hatten, sie angerührt.
    Byron ging nach unten und griff nach der Wasserflasche. Er ging hinaus, vergewisserte sich, dass die Tür hinter ihm geschlossen war – und erstarrte.
    Auf seinem Motorrad saß ein junges Mädchen und wippte mit dem Fuß.
    »Hey!«
    Sie legte den Kopf schief. »Ja?«
    »Runter von meinem Motorrad!« Er sprang von der Veranda und überquerte den Rasen, doch als er sie erreichte, zögerte er. Ein Mädchen konnte er nicht einfach von der Maschine zerren – ganz gleich, aus welchem Grund.
    Sie zog die Füße unter den Körper und sprang nach hinten, bis sich das Motorrad zwischen ihnen befand. Einen Moment lang starrte sie ihn an und verzog die Stirn zu einem verwirrten Ausdruck. »Sie ist tot. Die Frau, die hier gewohnt hat.«
    »Kennst du sie?« Byron versuchte das Mädchen einzuordnen, doch er war erst seit ein paar Monaten wieder in Claysville und konnte sich nicht erinnern, sie jemals gesehen zu haben. Sie ähnelte niemandem, den er kannte, und so konnte er auch keine Vermutungen darüber anstellen, wessen Tochter oder Schwester sie vielleicht war.
    »Ihr wird keine Milch mehr gebracht.« Sehnsüchtig blickte das Mädchen an ihm vorbei zur Veranda. »Gestern war Milch da, aber heute gibt es keine. Ich habe Hunger.«
    »Verstehe.« Byron bemerkte die ausgefransten Jeans und das verschmutzte Gesicht. In Claysville gab es keine Obdachlosenasyle. Er war sich nicht einmal sicher, ob so etwas wie Jugendfürsorge existierte. Wenn nötig, nahmen Verwandte einen Notleidenden auf, und wer Unterstützung brauchte, dem gaben die Nachbarn ab, was sie übrig hatten.
    Er öffnete die Jacke und zog sein Handy hervor. »Hast du ein Zuhause? Verwandte hier in der Stadt? Ich rufe an, falls du abgeholt werden willst.«
    »Nein, ich gehe nirgends hin. Jetzt nicht mehr«, flüsterte sie.
    Die Haut in Byrons Nacken prickelte. Als er von seinem Handy aufblickte, war sie bereits verschwunden.

6. Kapitel
    Von Maylenes Haus war Christopher direkt zu Rabbi Wolffe gefahren. Der junge Rabbi hatte diese Woche Dienst.
    Nach allem, was Christopher in Büchern gelesen und im Fernsehen gesehen hatte, wusste er, dass Claysville anders verwaltet wurde als andere Städte. Der Bürgermeister wurde bei der Arbeit von einem sowohl geistlichen als auch weltlichen Stadtrat unterstützt, und jedes zurückgetretene Ratsmitglied wählte seinen eigenen Nachfolger. Das Gleiche galt für den Bürgermeister. In der Stadt und ihren Außenbezirken lebten weniger als viertausend Bürger, und unter der Führung von Bürgermeister Whittaker gab es in Claysville praktisch keine Schwerverbrechen. Kaum jemand zog weg, und die wenigen, die sich dazu entschlossen, kehrten immer wieder zurück. Es war eine sichere, überschaubare Stadt, und damit das auch so blieb, hatten die Führungspersönlichkeiten der Stadt Strategien für den Fall entwickelt, dass es zu ungewöhnlichen Vorfällen kam. Der Sheriff brauchte nur das entsprechende Protokoll zu befolgen.
    »Dieser Teil ist mir zuwider.« Christopher schaltete den Motor ab, blieb jedoch noch eine Weile im Wagen sitzen. Der Rabbi war relativ neu in der Stadt und vergaß daher immer wieder, dass es Dinge gab, über die man nicht sprach. Er und die anderen Ratsmitglieder bekamen keine Kopfschmerzen, wenn sie über verbotene Themen sprachen – alle anderen, die nicht dem Stadtrat angehörten, aber durchaus.
    Die Tür des gepflegten rustikalen Hauses öffnete sich, und der Rabbi betrat die breite Vorderveranda. Er hatte offensichtlich gearbeitet: Hinter seinem Ohr klemmte ein Bleistift, und er hatte die Hemdsärmel hochgeschoben. Der Rabbi widmete sich den Büchern ebenso

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