Graveminder
begeistert wie den Holzwerkstätten, die er in der Stadt eingerichtet hatte, und krempelte dabei gleichermaßen die Ärmel hoch.
Christopher stieg aus dem Wagen und schloss die Tür.
»Alles in Ordnung, Sheriff?«, rief Rabbi Wolffe. Die Frage klang nicht besorgt, aber sie wussten beide, dass Christopher nicht ohne Grund vorbeikam.
»Ich dachte, wir könnten kurz reden, falls Sie Zeit haben.« Christopher ging den mit Steinplatten belegten Weg entlang.
»Immer.« Der Rabbi trat beiseite und lud Christopher mit einer Handbewegung ins Haus ein.
»Ich bleibe lieber draußen, Rabbi.« Christopher lächelte. Er mochte den jungen Geistlichen und war froh darüber, dass dieser sich entschieden hatte, nach Claysville zu kommen. Von längeren Gesprächen mit ihm bekam er allerdings immer diese Kopfschmerzen.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Beim Ableben von Maylene Barrow gab es ein paar kleine Merkwürdigkeiten.« Christopher achtete darauf, dass seine Stimme ausdruckslos blieb. »Ich finde zwar nicht, dass die ganze Stadt davon erfahren muss, aber ich dachte, dass Sie dem Stadtrat davon berichten sollten. Vielleicht stattet einer von Ihnen William einen Besuch ab.«
»Etwas Besonderes, das wir ihm sagen sollten?«
Christopher hob kaum wahrnehmbar die Schultern. »Schätze, er weiß Bescheid. Er hat ihre Leiche gesehen.«
Rabbi Wolffe nickte. »Dann berufe ich für heute Abend eine Sitzung des Stadtrats ein. Wissen Sie …«
»Nein. Ich weiß gar nichts«, unterbrach Christopher ihn. »Und ich will es auch gar nicht wissen.«
»Stimmt.« Die Miene des Rabbi war undeutbar. »Danke, Sheriff.«
Wieder hob Christopher die Schultern. »Ich erledige nur meine Arbeit, Rabbi.«
Dann wandte er sich ab und stieg so rasch wie möglich wieder in seinen Wagen. Er drückte sich vor keiner Prügelei oder einer ähnlichen Auseinandersetzung, aber er wollte nichts wissen, was er nicht zu wissen brauchte. Wer aufpasste, begriff rasch, dass man bei manchen Gelegenheiten lieber keine Fragen stellte.
7. Kapitel
Nachdem er ein paar Besorgungen gemacht und eine lange Ausfahrt unternommen hatte, um einen klaren Kopf zu bekommen, ließ Byron sich im Gallagher’s nieder, wo er am Abend oft einkehrte. Das Gallagher’s gehörte zu den besseren Kneipen: Boden und Bar aus Holz, Billardtische und Dartscheiben, kaltes Bier und guter Schnaps. Hier gestattete er sich die Vorstellung, in einer Eckkneipe in irgendeiner großen oder kleinen Stadt zu sitzen, und für gewöhnlich konnte er sich hier entspannen – sowohl während der Öffnungszeiten als auch nach Geschäftsschluss.
Aber nicht an diesem Abend.
Zuerst ging es ihm ganz gut, doch je später es wurde, umso angespannter fühlte er sich. Zum dritten Mal in ebenso vielen Minuten sah er auf die Uhr und überlegte, ob er zum Flughafen fahren sollte. Teufel, er hatte sich vorhin schon auf den Weg gemacht, doch dann war er an den Straßenrand gefahren und hatte gewendet. Sosehr er sich auch wünschte, Rebekkah zu sehen, bezweifelte er doch, dass seine Anwesenheit hilfreich wäre. Daher saß er an der Bar und sagte sich, dass sich ihre Stimmung wahrscheinlich nicht bessern würde, wenn sie von einem Bestatter abgeholt wurde. Und besonders nicht von mir, gestand er sich in Gedanken ein.
»Trinkst du etwas, Byron, oder hältst du nur den Hocker warm?« Amity lächelte, um den scharfen Ton ihrer Worte zu mildern. Seit er nach Hause gekommen war, bot sie ihm eine willkommene Ablenkung. Sie stellte keine Forderungen und verlangte nie mehr von ihm, als er ihr geben konnte.
»Byron?«, hakte sie nach. Dieses Mal klang sie etwas weniger selbstsicher.
»Noch etwas zu trinken.« Er tippte an sein leeres Glas.
Mit prüfendem Blick nahm Amity sein Glas und schaufelte Eis hinein. Sie war hübsch und sehr selbstbewusst. Ihr hellblondes Haar wurde von Spangen zurückgehalten, die wie Knochenhände geformt waren, und eine Brille mit dickem rotem Rand umrahmte dunkle, dick in Lila- und Grautönen geschminkte Augen. Ein enges schwarzes T-Shirt mit dem Bild eines Comic-Monsters betonte ihre Figur. Sie war vier Jahre jünger als er und damit so jung, als dass sie ihm in der Highschool nicht aufgefallen war. Aber in den paar Monaten, seit er zurückgekommen war, hatte er sie ganz entschieden bemerkt. Amity war unkompliziert, und er konnte ihr genau das geben, was Rebekkah von ihm verlangt hatte: keine Verpflichtungen, kein emotionales Getue, keine Zukunftsplanung.
Vielleicht habe ich mich ja verändert,
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