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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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oder?« Amity richtete den Blick wieder auf die Tische, vorgeblich um sich zu vergewissern, dass keiner nach der Bedienung verlangte. »Weißt du, das war mir ernst. Ich könnte deine Hilfe wirklich gebrauchen, falls du dich entscheidest, eine Weile hierzubleiben. Es gibt ein paar Aushilfen, und ich springe gern als Geschäftsführerin ein, bis Troy wieder auftaucht … falls er auftaucht … Aber es wäre großartig, eine weitere Barkeeperin zu haben, die mich notfalls vertritt.«
    »Klar.« Rebekkah zwang sich zu einem Lächeln. »Setz mich auf deine Liste. Vermutlich bleibe ich noch einige Tage, bis ich weiß, was ich … mit allem anfange.«
    Maylenes Haus. Maylenes Besitztümer. Wie soll ich das bloß in Kisten packen?, fragte sie sich. Wieder spürte sie den Druck von Entscheidungen, die sie nicht treffen wollte – und sie wusste nicht, wo sie beginnen sollte. Welche Lösung gibt es, als alles einzupacken?, überlegte sie. Erneut hatte sie Cissys Behauptung im Ohr, Rebekkah gehöre nicht zur Familie, und diese Worte trafen sie beinahe wie ein Schlag. Ich gehöre zu Maylenes Familie. Es geht nicht nur um Blutsverwandtschaft, dachte sie. Maylene hatte ihr das immer wieder erklärt, und in diesem Moment war Rebekkah ihr noch dankbarer dafür als sonst.
    »Bek?«
    Rebekkah kehrte mit den Gedanken ins Hier und Jetzt zurück. »Tut mir leid. Ich bin müde … und überfordert.«
    »Ich weiß.« Amity warf einen Blick zur Tür. »Hey, willst du jemanden anrufen, der dich nach Hause bringt? Oder vielleicht könnte einer der Jungs …«
    »Schon gut. Ich bin ja auch allein hergekommen, oder?«
    »Du weißt, dass Maylene keines natürlichen Todes gestorben ist, nicht wahr?« Amity senkte die Stimme. »Jemand hat sie umgebracht, Bek«, setzte sie hinzu. »Das heißt, du musst vorsichtig sein. Alle sind vorsichtig.«
    Rebekkah schob ihr ungutes Gefühl beiseite. »Lass gut sein!«
    »So tun, als wäre nichts, ändert auch nichts daran. Du bist nicht sicher«, beharrte Amity.
    »Speziell ich?«
    Amity zögerte. Nur einen Sekundenbruchteil lang, aber es war deutlich spürbar. »Alle sind in Gefahr, aber nicht jeder ist in Trauer und geht allein nach Hause.«
    »Genau.« Rebekkah glaubte Amity nicht. Sie spürte, wie ihr kalte Schauer den Rücken hinunterliefen. Ohne ein weiteres Wort griff sie nach ihrer Jacke und duckte sich unter der Theke hindurch. Sie fing Amitys Blick auf. »Am liebsten würde ich dir jetzt eine Menge Fragen stellen. Ich möchte wissen, ob du … keine Ahnung … der Mensch bist, den ich zu kennen glaube. Aber ich bin ausgebrannt – es war ein langer Tag. Vielleicht verschweigst du mir etwas, weil du mich beschützen willst. Vielleicht leide ich einfach nur an Verfolgungswahn. Im Moment kann ich das alles nicht mehr unterscheiden.«
    »Ich sage ja nur, dass du aufpassen sollst.« Amity sprach die Worte in sanftem Ton aus.
    »Mach ich.« Rebekkah streifte ihre Jacke über und ging ohne ein weiteres Wort nach draußen.
    Der Weg vom Gallagher’s nach Hause war nicht besonders weit, aber es war trotzdem ziemlich unvernünftig, allein zu gehen, nachdem sowohl ein Tier als auch ein Mörder frei in der Stadt herumliefen. Rebekkah rief sich ins Gedächtnis, dass sie schon viel Dümmeres getan hatte und wahrscheinlich wieder tun würde. Die meisten der Fehlentscheidungen, die sie nach einem Barbesuch getroffen hatte, waren weit schwerwiegender gewesen, als in der kleinen Stadt, in die sie seit Jahren zur Erholung reiste, allein im Dunkeln umherzulaufen.
    Natürlich war in dieser kleinen Stadt gerade ihre Großmutter ermordet worden, daher konnte sie ihr Unbehagen nicht einfach abtun, wie sie es bei früheren Besuchen getan hätte. Die Straßenlaternen standen so weit auseinander, dass die dunkleren Schatten allgegenwärtig zu sein schienen. Vorbeifahrende Autos versetzten sie in nervöse Anspannung. Entfernte Geräusche, die sie nicht einordnen konnte, jagten ihr ebenso kalte Schauer über die Haut wie das Kläffen von Hunden. Daher war ihre Erleichterung fast mit Händen zu greifen, als sie Troy auf der Stufe des Antiquitätenladens Once in a Blue Moon sitzen sah.
    Der Laden lag auf der anderen Straßenseite und etwas zurückgesetzt in einer kleinen Gasse. Trotzdem erkannte sie ihn sofort. Nur wenige Männer in Claysville besaßen diese Kombination aus kräftigen Muskelpaketen und dem gepflegten Haar eines Sunnyboys. Seine langen Locken waren mit einem roten Kopftuch zurückgebunden, und er war in

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