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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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und ein weiteres Gespräch zu führen. Ihr Adrenalinschub war verpufft, und die Kombination aus dem anschließenden Absturz und größter Erschöpfung sorgte dafür, dass sie sich nichts mehr wünschte, als sich auf die erstbeste waagrechte Oberfläche fallen zu lassen. Die Anrufe konnte sie am nächsten Morgen erledigen. Es würde schnell genug wieder Tag sein.

25. Kapitel
    »Drehen Sie das Schild um, ja?«, rief Penelope vom hinteren Flur aus, als Xavier eintrat.
    »Hier hätte jeder hereinkommen können. Sie sollten die Tür immer abschließen, vor allem momentan. Dort draußen gehen Monster um, und …«
    »Ich habe sie offen gelassen, weil ich wusste, dass Sie kommen«, unterbrach sie ihn.
    Irgendwann demnächst würde sie es wahrscheinlich leid sein, Xavier zu provozieren, aber bis es so weit war, hatte sie ihren Spaß daran. Pater Xavier Ness konnte akzeptieren, dass die Toten wandelten, dass der Tod in Person einen Vertrag mit Claysville geschlossen hatte und dass die Stadtbewohner diesen Handel im Austausch für Gesundheit und schier undurchdringliche Grenzen billigten. Aber dem Gedanken, dass sie die Zukunft vorhersagen konnte, stand er skeptisch gegenüber. Sie ihrerseits fühlte sich angesichts eines solchen Ausmaßes an Starrköpfigkeit geradezu zu Provokationen herausgefordert und lieferte sie gern.
    »Penelope?«
    »Ich ziehe mich noch um. Sie können warten oder mir dabei zusehen.« Penelope ließ den Rock fallen und zog ihre Jeans an. Sie hatte nicht vor, in einem weiten Rock in der Stadt herumzulaufen. Der würde sie im Notfall nur am Rennen hindern.
    Als sie den Priester auf und ab gehen hörte, hielt sie inne. Sie schob den Vorhang aus Perlenschnüren beiseite. »Auf der Arbeitsfläche liegen Kamille oder dieser milde Pfefferminztee, der Ihnen schon einmal geschmeckt hat«, erklärte sie. »Ich wusste nicht, welchen Sie bevorzugen.«
    Er kehrte ihr den Rücken zu, doch sie wusste, dass er die Pfefferminze hochnahm. Der Kamillentee war für sie bestimmt, aber er sollte ruhig glauben, dass sie im Zweifel gewesen war. Sobald sie sicher war, dass er das Teeei in seine Tasse gelegt hatte, griff sie nach ihren Stiefeln. »Fast hätte ich schon geglaubt, Sie überraschen mich«, sagte sie. »Tun Sie die Kamille in meine Tasse, ja?«
    »Welche Überraschung …« Er warf einen Blick auf die Teeeier. »Sie mögen Pfefferminze nicht.«
    »Doch, aber es macht Spaß, mich selbst immer wieder auf die Probe zu stellen.« Sie schlang ihr Haar auf dem Kopf zu einem Knoten. »Keine Sorge wegen des verschütteten Tees.« Sie nahm rasch einen Besen zur Hand – kurz bevor ihm das Glas aus der Hand glitt und zu Boden fiel.
    »Das macht mich noch wahnsinnig!« Er riss ihr den Besen aus der Hand. »Sie inszenieren diese albernen Spielchen nur, um mich zu … reizen.«
    »Und um Ihnen zu beweisen, dass ich keine Scharlatanin bin, Xavier.« Sie ging in die Hocke und hielt die Kehrschaufel vor das Teehäufchen. »Jedes Mal, wenn ich allzu lange auf diese albernen Spielchen verzichte, zweifeln Sie an mir, und das wissen wir beide nur allzu gut.«
    Er fegte den verschütteten Tee auf die Kehrschaufel. »Es liegt gar nicht in meiner Absicht, an Ihnen zu zweifeln.«
    »Aber Sie tun es.« Sie stand auf und kippte den Tee in den Mülleimer. »Irgendwann werden Sie damit aufhören, aber bis dahin« – sie nahm den Besen und die Kehrschaufel und stellte beides beiseite – »machen wir so weiter. Sie ärgern sich viel mehr darüber als ich.«
    Er holte tief Luft und sah sie unverwandt an. »Dann sagen Sie mir, warum ich gekommen bin.«
    Seite an Seite wuschen sie sich die Hände. Sie goss beide Tassen mit kochendem Wasser auf, dann nahm sie eine davon und betrat den vorderen Teil des Ladens. Vor dem Schaufenster blieb sie stehen und blickte auf die Straßen hinaus, in denen es inzwischen dunkel war. »Um mir zu sagen, dass William tot ist«, flüsterte sie.
    Hinter sich hörte sie Xaviers Schritte, das Schleifen des Stuhls, den er zu sich heranzog, und das leise Klicken, mit dem er seine Tasse auf dem Mosaiktisch abstellte, den er bevorzugte. Sie wartete darauf, dass er die Frage stellte, auf die er eine Antwort erwartete.
    Ein paar Minuten vergingen. Sie trank von ihrem Tee und wartete. Xavier verabscheute sich für den Wunsch, ihr Fragen zu stellen. Er kämpfte mit sich. Sie ließ ihm den Freiraum, es nach seinem eigenen Ermessen anzugehen. Wie jeder andere in Claysville musste er seine Entscheidungen zur eigenen Zeit

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