Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gray Kiss (German Edition)

Gray Kiss (German Edition)

Titel: Gray Kiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Rowen
Vom Netzwerk:
wie ich es erwartet hatte.
    Colin sah mich an, als ich zögerlich auf ihn zulief. „Hey, Sam. Machst du heute mal nicht blau? Wo warst du denn die ganze Woche?“
    „Hier und da.“ Man hat mich entführt, eingesperrt und dann habe ich versucht, einen Engel davon abzuhalten, auf einer Halloweenparty aufzutauchen . „Pass auf, ich … Es tut mir leid, was am Montag passiert ist.“
    Er verzog das Gesicht bei der Erinnerung an unseren letzten Kuss. Mit der Betonung auf „letzten“. „Vielleicht kannst du’s mir erklären. Ich kapier’s nämlich nicht, Sam. Erst schubst du mich weg und sagst, du interessierst dich nicht für mich, dann fällst du auf einmal über mich her. Das ist nicht cool. Ich habe eine bessere Behandlung verdient.“
    „Da hast du absolut recht. Du verdienst eine viel bessere Behandlung.“ Ich schritt näher auf ihn zu, sodass er sich in dem Hunger-Orbit befand, und musterte ihn.
    Wachsam schaute er mich an. „Und was tust du jetzt?“
    „Ich probiere gerade etwas aus.“ Ich wartete darauf, dass mich plötzlich wieder der Wunsch überfiel, ihn küssen zu müssen, weil mich der Rest seiner Seele anzog wie ein Angelköder den hilflosen Fisch.
    Doch nichts geschah. Ich reagierte weder auf Colin, noch auf sonst jemanden auf dem Gang.
    Nichts!
    Ich setzte ein breites Grinsen auf und umarmte Colin stürmisch. Er erwiderte meine Umarmung nicht.
    „Niemand wird gern verarscht, Sam. Ich habe keine Lust mehr auf deine Spielchen.“
    Ich ließ ihn sofort los. „Sorry. Ich … äh … Es tut mir echt leid, Colin. Alles. Ich hoffe, wir können Freunde bleiben.“
    Der verlorene Blick, den er immer hatte, wenn er in meiner Nähe war, war auch verschwunden. Er fühlte sich also nicht mehr unwiderstehlich zu mir hingezogen. Das war ein weiterer Beweis dafür, dass ich endlich frei war - und er auch. „Ja, klar. Nur … bitte keine weiteren spontanen Umarmungen mehr, ja?“
    Ich nickte. „Okay.“
    Dann gingen wir in unseren Englischkurs. Ich saß da und versuchte, mich zu konzentrieren. Trotz meiner miesen Note von neulich war die Schule doch meine Oase. Mein Prüfstein. Mein Gefühl von Normalität. Die Schule hatte mich lange Zeit davor bewahrt, vollkommen durchzudrehen.
    Leider funktionierte das nicht mehr.
    Ich bemühte mich, diesen neuen mysteriösen Hunger in mir zu ignorieren, diese seltsame, nagende Leere, doch es gelang mir nicht. Wenn ich keinen Hunger auf Nahrung hatte - oder Seelen, besser gesagt - worauf dann?
    In der Mittagspause suchte ich in der Cafeteria und auf den Gängen nach Jordan, konnte sie aber nicht finden. Ich fragte ein paar ihrer Freundinnen nach ihr, denn ich war besorgt, dass ihr gestern Abend vielleicht noch etwas zugestoßen war. Möglicherweise war sie wieder Stephen in die Hände gefallen. Aber ich erfuhr, dass sie heute Morgen eine SMS geschickt hatte, dass sie gut nach der Polizeirazzia nach Haus gekommen war. Und dass ihr Vater stinksauer auf sie war, weil sie zwei Tage ohne Erklärung weg gewesen war und nach dem Nach-Hause-Kommen sofort wieder abgehauen war. Und zwar in einem Kleopatrakostüm zu einer Party.
    „Das bedeutet Hausarrest, bis sie vierzig ist“, meine ein Mädchen hämisch grinsend.
    Wahrscheinlich hatte ihre Freundin recht.
    Ich bemühte mich den ganzen Tag, auszublenden, was ich seit Neuestem über Bishop wusste.
    Seinen Namen. Und seine volle Vergangenheit.
    Die vielen Morde, die er verübt hatte, und die ihn an den Galgen gebracht hatten vor über hundert Jahren.
    Mir war ja bekannt gewesen, dass er ein Todesengel war, allerdings fühlte sich das jetzt weitaus schlimmer an. Böse und schlecht und irgendwie unauslöschbar.
    Es musste noch mehr sein, mit Sicherheit. Aber wieso konnte er mir das alles nicht selbst erzählen? Warum musste ich es von seinem rachsüchtigen Bruder hören?
    Das Aufregendste, was an diesem Schultag geschah, war ein Streit von einem Pärchen, das sich lauthals neben meinem Spind anschrie. Offensichtlich ein Trennungsstreit. Ich ging nach Hause und verriegelte die Tür hinter mir, nachdem ich drin war.
    Am liebsten hätte ich Bishop aufgesucht, doch ich fürchtete mich davor, ihm gegenüberzutreten.
    „Idiotisch“, murmelte ich. „Da bist du angeblich ein so mächtiges Himmel-Hölle-Mischwesen und steckst gleich den Kopf in den Sand wie ein Vogel Strauß, wenn du Angst bekommst.“
    Gut, ich war idiotisch. Aber ein Vogel Strauß war ich nicht. Ich brauchte nur noch etwas mehr Zeit, damit ich das alles verarbeiten

Weitere Kostenlose Bücher