Gray Kiss (German Edition)
dass es nur einen Tag her war, seit ich das letzte Mal in der St. Andrews-Kirche gewesen war. Es fühlte sich so ewig lange her an.
Ich schaute mich schnell im Kirchenraum und in den angrenzenden Räumlichkeiten um, Jordan folgte mir dicht auf den Fersen.
„Ist dir aufgefallen, dass ich dir keine Fragen stelle?“, fragte sie. „Trotzdem wüsste ich gern, was wir schon wieder hier wollen. Ich mag diesen Ort nicht.“
„Ich suche jemanden.“ Irritiert schritt ich weiter durch die Kirche und versuchte, etwas zu spüren, etwas wahrzunehmen.
Zehn Minuten später hörte ich eine Tür quietschen. Ich drehte mich um. Da war der Engel, mit dem ich sprechen musste. Er war zurückgekehrt.
„Hey, Samantha“, begrüßte Connor mich. „Schön, dich zu sehen. Bishop ist nicht da, er ist auf Patrouille. Roth ist immer noch verschwunden. Außerdem wurde uns berichtet, dass so gut wie keine Grays mehr in der Stadt unterwegs sind, und davon möchte sich Bishop überzeugen. Die meisten sind wohl nach Erreichen der Stase gestorben.“
Mein Mund wurde ganz trocken. „Fast keine Grays mehr? Im Ernst?“
„Soweit wir wissen, ist nur noch dein Kumpel Stephen auf jeden Fall in Trinity. Wie ich gehört habe, bist du geheilt?“ Er musterte mich neugierig „Hast du jetzt keinen Hunger auf Seelen mehr?“
Nein, ich hatte Hunger auf etwas anderes. „Das stimmt.“
„Das ist ja super. Ich meine, ich will nichts versprechen, aber wenn Stephen der einzige Gray ist, der noch am Leben ist, stehen wir wohl kurz vor dem Ende unserer Mission.“ Er blickte an mir vorbei. „Jordan, du bist ja auch wieder da.“
„Leider.“
„Dumm, dass die Erinnerungslöschung neulich nicht funktioniert hat. Dann wäre alles wohl etwas einfacher, nicht wahr?“
Misstrauisch beäugte sie ihn. „Ja, vielleicht. Für euch.“
Jordan verstand es, sich überall gleich beliebt zu machen. Eine grandiose Gabe.
Ich war erschüttert. Falls Stephen wirklich der einzige verbliebene Gray in der Stadt war … Das Team war über zwei Wochen auf Patrouille gewesen, um das Gray-Problem in den Griff zu kriegen. Und jetzt sollte alles so plötzlich vorbei sein?
Natürlich war Carly auch immer noch eine Gray.
Carly …
Ich schob den Gedanken an sie beiseite und konzentrierte mich wieder auf den Engel, der vor mir stand.
„Ich bin hier, weil ich mit dir reden muss, Connor.“
„Mit mir?“ Er deutete auf sich. „Wie lieb von dir, Sam. Ich weiß, wir konnten uns bisher noch nicht richtig kennenlernen.“
„Das stimmt. Du bist als Letzter angekommen, Cassandra mal ausgenommen.“
Bei der Erwähnung ihres Namens legte sich ein Schatten über sein Gesicht. „Richtig.“
„Connor, was meintest du letztens damit, dass der Engel Ablenkungsmanöver betreibt?“
Er sagte einen Moment lang gar nichts. „Was?“
„Ich habe es gehört. Du hast es vor dich hin gemurmelt. Du sagtest, er würde Ablenkungsmanöver betreiben und seine Spielchen spielen und sich verstecken. Wer ist er ? Von wem hast du da gesprochen?“
Connor verkrampfte. „Ich glaube, das hast du dir eingebildet.“
„Nein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich richtig verstanden habe.“
Er schaute zu Jordan rüber, dann wieder zu mir. „Okay, Ladys. Es war schön, mit euch zu plaudern, allerdings muss ich jetzt leider los und meine Pflicht erfüllen.“
Als er sich zur Tür wandte, rannte ich hinter ihm her und hielt ihn fest. „Connor, bitte! Du musst mit mir sprechen. Du weißt etwas, das du mir unbedingt mitteilen musst!“
Er sah mich an. „Was willst du eigentlich? Welche Rolle spielst du in dieser ganzen Sache? Wie kommt es, dass du auf einmal keine Gray mehr bist, einfach so? Bishop weiht uns nicht ein. Aber irgendwas stimmt doch nicht mit dir!“
„Wem erzählst du das“, murmelte Jordan.
„Du weißt viel zu viel“, stellte Connor misstrauisch fest. „Und warum kannst du die Lichtsäulen sehen? Wie konntest du Bishop eine Nachricht übermitteln, als du eingesperrt warst? Wieso kannst du unsere Gedanken lesen?“
„Soll ich es gleich mal wieder ausprobieren?“, fragte ich. „Denn das muss ich tun, wenn du nicht von selbst redest.“
„Versuch es ruhig. Ich bin wesentlich älter, als ich aussehe, bin also ziemlich gut darin, so etwas abzublocken - vor allem nach Ansage.“
Da hatte er recht. Denn ich schaute ihm gerade fest in die Augen und schaffte es nicht, die Sperre zu überwinden, die er aufgebaut hatte. Ich musste also eine andere Möglichkeit
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