Gray Kiss (German Edition)
leiden.“ Seine Miene verdunkelte sich. „Mit ihm hatte ich nie Probleme. Schade, dass er tot ist. Und dann noch unsere kleine Miss Geheimmission. Sie hätte uns von Anfang an sagen sollen, weswegen sie hier war.“
„Wieso? Hätte sie das am Ende gerettet?“
Er gab keine Antwort. „Und Roth wird vermisst.“
„Er mochte sie, und zwar sehr. Sie hatten sich ineinander verliebt.“
„Roth ist ein Idiot. Glaubst du wirklich, er kann für irgendjemanden etwas empfinden?“
„Ja, das glaube ich“, antwortete ich voll überzeugt. Ich hatte seinen Blick gesehen, als sie aus seinen Armen gerissen wurde. Kein Zweifel, seine Gefühle für sie waren echt.
„Und du denkst auch, dass mein Bruder etwas Ähnliches für dich fühlt?“
Ich sah ihn wütend an. „Es ärgert dich, dass ich ihn mag.“
„Was? Du magst ihn nur? Du liebst ihn nicht? War es nicht seine Liebe, die dich von den Toten zurückgeholt hat?“, fragte er in seiner typischen sarkastischen Art. „Läuft bei euch vielleicht so eine Romeo-und-Julia-Nummer? Der Todesengel verliebt sich in das Mischwesen, das er in einem anderen Leben eigentlich töten müsste. Herzzerreißend, nicht wahr?“
Ich schaute ihm in seine bernsteinfarbenen Augen, doch leider konnte ich seine Gedankenbarriere nicht durchbrechen. Abgesehen davon hatte ich nach diesem Abend weiß Gott keine Lust mehr, in seinen gequälten Geist einzudringen. Aber trotz seines provokanten Verhaltens tat er mir wahnsinnig leid - nach allem, was ich inzwischen über ihn erfahren hatte. „Es tut mir leid, dass es dir immer noch so wehtut, über deinen Bruder zu sprechen.“
Auf diese minimale Reaktion hatte ich gewartet. Er zuckte kurz zusammen. „Ich empfinde rein gar nichts für ihn.“
„Falsch. Du hasst ihn für das, was er dir angetan hat, denn einst hast du ihn mehr geliebt als jeden anderen Menschen auf der Welt.“ Ich seufzte. „Du hast das Recht, ihn zu hassen.“
Er verspannte sich. „Du gibst mir die Erlaubnis, meinen Bruder zu hassen, na super. Da bin ich ja ganz aus dem Häuschen.“
„Du hast ihm vertraut, und er hat dich auf die schlimmstmögliche Weise verraten. Ich habe ja keine Ahnung, was du erlebt hast in den vielen Jahren, seit du gestorben bist …“
„Seit ich ermordet wurde“, korrigierte er mich.
„Heute Nacht habe ich jedenfalls noch eine von Bishops Erinnerungen zu Gesicht bekommen. Seine Hinrichtung.“ Ich schluckte. „Ich hörte seine Gedanken in meinem Kopf. Ich sah, was er damals sah, und fühlte, was er fühlte. Er war verzweifelt über das, was er dir zugefügt hat. Und er bezahlte einen hohen Preis dafür. Er hat dich vermisst. Du warst der Einzige, von dem er sich Vergebung wünschte.“
Der höhnische Ausdruck in der Miene des Dämons verschwand. „Wirklich.“
Ich nickte.
Er wurde ernst. „Du kannst mir erzählen, was du willst. Egal, was du denkst, gesehen zu haben - das ändert nichts. Und das macht es auch nicht wahr.“
„Du hast ihn heute Nacht zweimal gerettet. Ich glaube, tief in deinem Innern magst du ihn noch.“
„Ach ja, glaubst du das?“ Er war plötzlich so nah, dass er mich an die Wand drängte. Ich zwang mich, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen, sowie seine Augen anfingen rot zu glühen.
Ich nickte wieder.
Und ich wartete darauf, dass er noch etwas zu dem Thema sagte, doch stattdessen wickelte er sich eine meiner Haarsträhnen um den Finger. „Du bist also ein Nexus.“ Er verzog den Mund. „Mir ist klar, das würdest du niemals zugeben. Aber es reicht mir schon die Erkenntnis, dass es stimmt.“
Ich schob seine Hand weg. „Du weißt gar nichts über mich.“
„Falsch. Ich weiß genug über dich. Ich weiß, dass du bei den drei Malen, die wir uns küssten, mich nicht nur deshalb küsstest, weil es nötig war. Es gefiel dir auch.“
Ich errötete. „Du träumst wohl.“
„Und jetzt kannst du Bishop wieder küssen, ohne zu riskieren, dass du ihm Seele und Leben heraussaugst. Habe ich recht?“
Das war doch alles albern. Wieso ließ ich zu, dass er mich manipulierte? „Komm auf den Punkt, Kraven. Falls du einen hast. Ich bin müde und will ins Bett gehen.“
„War das eine Einladung?“
„Du spinnst echt, Mann.“
Er grinste breit, und seine Augenfarbe kehrte zu ihrer normalen Schattierung zurück. „Süße, du kannst es immer wieder abstreiten, aber du empfindest etwas für mich. Das spüre ich.“
„Das stimmt, James.“ Ich benutzte seinen echten Namen absichtlich, weil ich ihn ärgern
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