Gray Kiss (German Edition)
an einer Mission wie dieser teilzunehmen, ohne Ärger zu machen. Anwesende selbstverständlich ausgenommen.“
„Versuch nicht, mich einzulullen, Blondie. Du hast eben schon erklärt, dass du Dämonen nicht leiden kannst.“ Er grinste schief. „Du verletzt meine zarten Gefühle.“
Sie zog eine Grimasse. „Entschuldigung. Wie unhöflich von mir. Tatsache ist, dass ich noch nie einem Dämon begegnet bin.“
Roth saß in der vordersten Reihe und beobachtete sie vorsichtig, während er die kleine Wunde an seinem Hals rieb. Bei Dämonen und Engeln verheilten Verletzungen deutlich schneller als bei Menschen. Doch der goldene Dolch und das Ritual setzten diese Regel außer Kraft.
Dieser Dolch war für die übernatürlichen Wesen die gefährlichste aller Waffen.
„Kannst du Roths Wunde heilen?“, bat ich Cassandra, einfach um etwas zu sagen. Ich wollte an der Unterhaltung teilhaben und nicht nur das hilflose Mäuschen sein, das in der Ecke hockt, ohne einen Pieps von sich zu geben. „Nicht, dass das in deinem Interesse wäre. Ich wollte einfach nur wissen, ob alle Engel diese Fähigkeit besitzen.“
„Ja, das tun wir, allerdings in verschieden starken Ausprägungen. Ich bin eine sehr gute Heilerin.“ Sie sah den Dämon an. „Soll ich deine Wunde heilen?“
Roth zuckte mit den Schultern. „Mir egal.“
Sie machte ein angesäuertes Gesicht, während sie auf ihn zuschritt. „Ein echter Charmeur, was?“
„Ich geb mein Bestes.“ Roth erstarrte, als sie die Hand nach ihm ausstreckte und mit den Fingern seinen Hals berührte. Ein sanftes blaues Licht, und schon heilte seine sonnengebräunte Haut, gleich vor meinen Augen.
„Das ist ein großes Talent“, meinte Bishop. Seine himmlischen Fähigkeiten waren sehr eingeschränkt, da er ein gefallener Engel war. Er schaute Cassandra mit sehnsüchtigem Neid zu. Es tat mir im Herzen weh, ihn so zu sehen.
„So. Nachdem das geklärt ist, können wir uns dem eigentlichen Problem zuwenden.“ Cassandra drehte sich wieder zu uns um. „Eure Mission war es, die Stadt von der seit Kurzem bestehenden Heimsuchung durch seelenverschlingende Monster zu befreien. Und dennoch ist eines dieser Wesen in diesem Moment hier bei uns. Wieso?“
„Gute Frage“, warf Roth ein.
Dieser Engel war nicht zu unterschätzen. Cassandra mochte zwar harmlos aussehen, doch sie war das genaue Gegenteil.
Ihre Verwirrung konnte ich allerdings auch nachvollziehen. An ihrer Stelle hätte ich sicher dieselbe Frage gestellt.
„Samantha ist anders“, erwiderte Bishop ruhig. „Sie wird nicht von ihrem Hunger geleitet.“
Kraven stieß ein verächtliches Geräusch aus, und ich funkelte ihn wütend an.
„Ist daran etwas komisch?“, erkundigte sich Cassandra.
„Nein, Ma’am.“ Kraven legte seine in Stiefeln steckenden Füße lässig auf die Kirchenbank vor sich und überkreuzte die Beine. Ich machte mich schon darauf gefasst, dass er erzählen würde, was im Crave vorgefallen war, aber er schwieg.
Knaller. Ich behielt meine Dankbarkeit jedoch vorerst für mich.
Bishop fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar und schaute mich einen Moment bedeutungsvoll an, ehe er sich wieder an Cassandra wandte. Im schummrigen Licht konnte ich nicht erkennen, ob seine Augen glühten oder ob es der Glanz der Kerzen war.
„Samantha ist wichtig für uns“, fuhr er fort. „Sie besitzt eine spezielle übersinnliche Gabe - sie kann die Lichtsäule sehen. Das kann ich nicht mehr, seit ich gefallen bin.“
„Ich habe gehört, was dir passiert ist“, sagte Cassandra stirnrunzelnd. „Du scheinst allerdings beachtlich fit zu sein in Anbetracht dessen, was dir widerfahren ist.“
„Ich tue mein Bestes.“
„Du musst sehr wütend sein.“
„Jemand hat mich sabotiert, mich und die gesamte Mission. Jetzt muss ich mit den Konsequenzen leben, die damit einhergehen, wenn man eine Seele besitzt. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich darüber freue.“
„Es gibt auch keinen Grund zur Freude. Denn das, was geschehen ist, war unfair.“
„Das ist noch untertrieben.“ Bishops humorloses Schnauben erinnerte mich an seinen Bruder. „Meine Hoffnung besteht darin, dass das Ganze rückgängig gemacht wird, sobald die Mission beendet ist und ich mit den anderen zurückkehre.“
„Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Cassandra drehte sich um und musterte mich neugierig. „Du verfügst also über eine übersinnliche Wahrnehmung. Das ist selten, aber nicht völlig unbekannt. Vielleicht bist du mental
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