Gray Kiss (German Edition)
schaute Bishop an. „Habe ich recht?“
„Vielleicht“, meinte er. Er war der Überzeugung, dass mein Anderssein mit meiner Herkunft zu tun hatte.
Wie dem auch sei, ich wollte meine Seele zurück. Keine Frage.
„Sehr gut.“ Cassandra nickte und begutachtete nun ganz offensichtlich Bishops Körper. Und zwar so intensiv, dass sich meine Eifersucht wieder meldete. „Abgesehen von deinen persönlichen Schwierigkeiten scheinst du hier alles unter Kontrolle zu haben.“
„Das ist richtig.“
„Und wieso blutest du dann?“
Ich starrte ihn an.
„Wie bitte?“, fragte er erstaunt.
Sie deutete auf seinen Bauch. „Wobei hast du dich verletzt?“
Er biss die Zähne zusammen. „Das ist nichts.“
„Bishop!“, rief ich. „Wovon redet sie? Bist du verwundet?“
Er sah mich nicht an. „Nein.“
„Zieh dein Shirt hoch“, wies Cassandra ihn an. „Lass mich mal sehen.“
Er zögerte, schob schließlich aber doch sein Langarmshirt hoch und zeigte seinen flachen, muskulösen Bauch. Mir stockte der Atem. In seiner Haut waren tiefe Schnittwunden. Offensichtlich hatte die Blutung nachgelassen, aber sein Shirt war voller Blut. Da es schwarz war, war es mir vorher gar nicht aufgefallen.
Was für ein schrecklicher Gedanke! Die ganze Nacht war er verletzt neben mir hergelaufen und ich hatte nichts davon bemerkt! „Mein Gott! Was ist denn passiert?“
Jetzt schaute er mich an. „Nichts. Ich wollte Zach bitten, mich zu heilen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.“
„Nichts? Das nennst du nichts? Wer hat dir das angetan?“
„Er war es selbst“, erklärte Kraven gleichgültig und tauschte einen ironischen Blick mit Roth aus. „Das ist sein neuestes Hobby.“
Ungläubig starrte ich Bishop an. „Warum solltest du das machen?“
„Der Schmerz hilft mir, klar zu denken“, stieß er aus. „Er beseitigt meine Verwirrung. Ich muss konzentriert bleiben, ganz egal, was geschieht.“
Ich hielt mir erschrocken die Hand vor den Mund. Das war es also, was er entdeckt hatte. Das war der Grund dafür, dass er mich nicht um sich haben wollte.
Statt Mitleid mit ihm zu haben, wurde ich wütend. „Das ist unverzeihlich dämlich von dir!“
Seine Miene wurde hart. „Ich habe eine Lösung gefunden und sie ausprobiert.“
Ein kehliger Laut entfuhr mir. „Eine ganz fantastische Lösung, Bishop. Wirklich brillant.“
Kraven schnaubte verächtlich.
Mir kam es vor, als hätte jemand auch mir eine Klinge über die Haut gezogen. Er verletzte lieber sich selbst, als dass er Hilfe von mir annahm. Dieser Gedanke schmerzte.
Er ließ sein Hemd wieder herunter, und ein besorgter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. „Ich wollte nicht, dass du es erfährst.“
„Was für ein Märtyrer“, höhnte Kraven. „Erspar uns die Dramatik.“
„Ich vermute, du hast die Heilige Klinge dafür benutzt. Sonst wäre die Verletzung schon längst verheilt.“ Cassandra schob Bishops Hemd wieder nach oben. „Halt still.“
Sie legte beide Hände auf seine Wunden, und wenige Augenblicke später verschwanden die Schnitte in einem Lichtimpuls, in einem sanften blauen Licht.
Doch sie ließ ihn nicht sofort los. Viel zu nah stand sie bei ihm.
„Besser?“ Sie lächelte ihn an.
„Besser. Danke.“
„Ich kann mir denken, wie schwer es für dich sein muss, dich mit den Nebenwirkungen einer Seele herumzuschlagen. Ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun, als dich nur von den körperlichen Schmerzen zu befreien.“
Ich zitterte vor Anstrengung, denn es kostete mich einige Mühe, nicht nach vorn zu stürmen und ihre Hände von Bishop wegzuschlagen. Gut, sie hatte ihm geholfen. Doch es gefiel mir nicht, wie sie ihn anfasste.
Ich kannte Cassandra, den blonden Engel, jetzt seit einer Stunde und war sensationell und irrational wütend über ihre sofortige Verbindung zu Bishop. Ich mochte dieses Gefühl nicht, denn zu allem Übel verstärkte es auch noch mein nagendes Hungergefühl.
Cassandra war schön, intelligent, mutig und stark - und sie konnte Wunden durch bloße Berührung heilen. Außerdem war sie ein Engel. Die beiden hatten vieles gemeinsam.
Irrational oder nicht, ich hasste diese blonde Tante.
„Schenkst du jedem so viel Aufmerksamkeit?“, erkundigte ich mich. „Oder nur Bishop?“
Sie sah mich an und lächelte. „Ich habe auch Roth geheilt.“
Ich spürte Bishops Blick auf mir, aber ich erwiderte ihn nicht sofort. Ich wusste, dass jedes Wort, das ich sagte, klang wie von einer eifersüchtigen Freundin geäußert.
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