Gray Kiss (German Edition)
ihm nicht zu nahe kommen.“
„Warum unterhalte ich mich überhaupt mit dir?“
Bevor ich noch etwas sagen konnte, war sie weg.
Nein, wir beide würden sicher keine Freundinnen werden. Niemals.
Der Rest des Tages verlief irgendwie verschwommen. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren. Ich dachte wieder an das, was Stephen mir über die Stase erzählt hatte, was mit Bishop geschehen war und an diesen mysteriösen Modelscout, die Julie dazu gebracht hatte, sich umzubringen.
Aber das konnte eigentlich nicht sein. Julies Tod war eine sinnlose Tragödie. Nicht mehr und nicht weniger.
Immerhin lenkte mich die Schule ein wenig ab. Zu Hause konnte ich nichts tun, um meinen Gedanken zu entfliehen.
Nach ein paar Stunden des Grübelns fiel mir irgendwann die Decke auf den Kopf. Ich konnte unmöglich länger hier sitzen bleiben und nichts machen, während alle unterwegs und mit etwas beschäftigt waren.
Ich beschloss, wieder ins Crave zu gehen. Ein guter Ausgangspunkt für meine Suche.
Kurz nach sieben verließ ich das Haus und marschierte die zwei Blocks zur nächsten Bushaltestelle.
„Na, wo willst du denn hin?“
Ich hatte ihn schon gesehen, doch da er nichts gesagt hatte, hatte ich ihn ignoriert - in der Hoffnung, er würde verschwinden.
„Ein bisschen spazieren gehen.“
Kraven beschleunigte seine Schritte, um zu mir aufzuschließen. „Ich bin dein Stalker. Ich weiß, das Wort gefällt dir.“
„Das sieht dir ähnlich.“
„Job ist Job.“
Der Bus kam in dem Moment, in dem wir die Haltestelle erreichten, und ich stieg ein. Kraven blieb mir dicht auf den Fersen.
Ich setzte mich nach hinten, so weit weg von den anderen Fahrgästen wie möglich. Der Dämon nahm mir gegenüber Platz.
Misstrauisch musterte ich ihn. „Bishop ist wohl heute Abend beschäftigt?“
„Seine volle und ganze Aufmerksamkeit gebührt heute Blondie. Eifersüchtig?“
Ja, ich hatte ein komisches Gefühl. „Wieso sollte ich eifersüchtig sein?“
Er streckte lässig die Arme aus und lehnte sich zurück. „Es gibt keinen Grund, schätze ich. Die wahre Liebe krachte gegen die Felsen unterhalb der Klippen von Teenland. Ein echter Herzens-Brecher. Ich kann nur zusehen und traurig mein Haupt schütteln.“
Ich ignorierte seinen dummen Kommentar und starrte schweigend aus dem Fenster, vor dem die Lichter der Stadt vorbeihuschten. Allerdings hielt ich es irgendwann nicht mehr länger aus. „Gibt’s was Neues in Sachen Grays?“
„Ungefähr einssechzig, lächelt nie. Ziemlich mies drauf, ehrlich gesagt.“
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. „Andere Grays. Nicht ich.“
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Alles unter Kontrolle. Nach der üblichen Methode - keine Ahnung, was wir hier eigentlich tun, wir werden auf ewig in diesem Kaff hängen. Hab gehört, du hast gestern einen Selbstmord mitgekriegt.“
Mir schauderte. „In der Mall.“
„Eine Freundin von dir?“
„Eine Bekannte.“
„Es scheint dir nicht viel auszumachen.“
„Doch, das tut es.“ Meine Kehle wurde eng. „Niemand sollte auf diese Art sterben.“
Er zuckte mit den Schultern. „Wenn ich könnte, würde ich gerne ein paar Leute die Klippen runterschubsen.“
„Bishop zum Beispiel?“, forderte ich ihn heraus. In dem Erinnerungsfetzen hatte ich gesehen, wie nahe sich die beiden mal gestanden hatten. Das hatte mich am meisten überrascht. So, wie sie jetzt miteinander umgingen, hätte ich darauf gewettet, dass sie sich schon immer spinnefeind gewesen waren.
Damals war Kraven bereit, alles dafür zu machen, dass Bishop wieder gut sehen konnte. Und das hatte er ganz bestimmt ernst gemeint.
Kraven verdrehte kurz die Augen und schaute dann aus dem Fenster. „Da würden mir ein paar andere Möglichkeiten einfallen. Aber jetzt sind wir doch alle ein großes, befreundetes Team, oder nicht? Alle für einen, einer für alle.“
„Und du?“
Er betrachtete mich. „Da ist wohl jemand etwas aggressiv heute Abend.“
„Ich hatte nicht mit Gesellschaft gerechnet. Am besten, du hältst wieder den angemessenen Stalker-Abstand ein, sobald wir diesen Bus verlassen.“
„Mal schauen.“
Ich schwieg. Schließlich sagte ich: „Darf ich dich etwas fragen?“
„Fragen kannst du. Ob ich antworte, sehen wir dann.“
Ich richtete meinen Blick auf den Lederriemen meiner Handtasche, um mein Grinsen zu verbergen. „Wann war das, als du und Bishop als Grabräuber unterwegs wart? Vor hundert Jahren? Oder schon länger?“
Überrascht drehte er den
Weitere Kostenlose Bücher