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Gray Kiss (German Edition)

Gray Kiss (German Edition)

Titel: Gray Kiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Rowen
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starrt mich an und tut seinen letzten Atemzug. Er starrt mich an, als wäre ich ein Fremder und nicht sein eigener Bruder.
    „Warum hast du das gemacht?“, flüstert er. „Warum nur?“
    „Weil du heute sterben musstest.“ Ich dachte, ich würde in diesem Moment etwas fühlen, eine Art von Bedauern, aber ich fühlte nichts. Überhaupt nichts.
    „Du weißt, was jetzt mit mir geschieht. Ist dir das etwa egal?“
    „Ja.“
    „Was hat sie dir versprochen? Was ist deine Belohnung?“ Der Schmerz in seinen Augen, voller Überraschung über meine Tat. Dass ich den eigenen Bruder ersteche, ganz ohne Warnung, dieser Schmerz ist schlimmer als der körperliche.
    „Auf Wiedersehen, James.“ Ich wende mich zur Tür.
    „Dafür wirst du in der Hölle brennen, du Hurensohn!“
    Ich drehe mich noch einmal um. Schon sind die Schatten da, um ihn zu verschlingen. „Nein, das wirst du nicht!“
    Zack!
    Bishop stolperte nach hinten, die Augen weit aufgerissen. Rasch presste ich meine Hand auf den Mund, um nicht laut zu schreien.
    „Was hast du …“ Er beendete den Satz nicht. Irgendetwas las er in meinen Augen, Grauen und Entsetzen, sodass er nicht weiterfragte, was ich gesehen hatte.
    „Bleib hier“, befahl er mir. „Ich suche jetzt im Club nach Stephen.“
    Ihm war klar, dass ich wieder in seine Erinnerungen eingedrungen war, aber wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, in welche. Er empfand es als Invasion in seine Privatsphäre und seine Gedankenwelt, die mir erstaunliche Dinge enthüllten.
    Und er hatte recht.
    Schon war er verschwunden. Langsam kam ich wieder zu mir, doch ich musste mich an der Wand abstützen.
    Bei diesen Erinnerungsverschmelzungen war ich Bishop. Ich sah, was er gesehen hatte und hörte, was er gehört hatte. Und ich fühlte, was er gefühlt hatte.
    Aber etwas war diesmal anders gewesen. Irgendetwas hatte nicht gestimmt mit ihm.
    Es hatte mich wirklich schockiert, mitzuerleben, wie Kraven starb, denn die Person, die ihn umgebracht hatte, war die Person, die mir wichtiger war als jede andere auf der Welt.
    Je mehr ich über Bishop erfuhr, desto erschütterter war ich.
    Jemand, der etwas so Schreckliches getan hatte, der seinen eigenen Bruder kaltblütig ermordet hatte - wie konnte so jemand ein Engel werden?
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie jemand vor dem Kristallvorhang vorbeiging. Ich hielt den Atem an.
    Es war Stephen.
    Ohne lange nachzudenken, rannte ich ihm nach und versuchte verzweifelt, ihn in der Menge nicht wieder zu verlieren.
    Schließlich holte ich ihn bei der Treppe ein und hielt ihn fest. „Stephen!“
    Er drehte sich zu mir um. Er war bleich, sein Blick wirkte durcheinander, wild. „Was machst du hier?“
    „Ich habe dich gesucht.“ Panisch schaute ich mich im Club nach Bishop und Kraven um, allerdings waren sie nirgends zu entdecken.
    „Lass mich in Ruhe.“ Er riss sich los und stieg die Treppe hinauf. Ich folgte ihm. Ich war immer noch benommen von Bishops Erinnerungen, doch ich konnte es auf keinen Fall zulassen, dass Stephen schon wieder verschwand.
    Bishop hatte also recht gehabt mit seiner Vermutung, dass wir ihn hier aufspüren würden. Jetzt musste ich ihn nur noch überzeugen, mir zu helfen. In der Mall wäre es mir beinahe gelungen, das hatte ich ihm angesehen. Meine Einstellung Stephen gegenüber hatte sich geändert, seit ich in seinen Augen die Angst vor der Stase erkannt hatte. Ich hatte ihn lange für mein großes Unglück verantwortlich gemacht, für meinen nagenden Hunger und die damit einhergehenden Probleme - und das tat ich auch immer noch. Aber er selbst war auch ein Opfer, er war nicht durch und durch böse und reuelos. Er steckte nur einfach zu tief drin und musste jetzt mit den Folgen seiner eigenen falschen Entscheidungen leben.
    Doch es musste einen Weg geben, wie man ihm helfen konnte. Das Dasein als Gray hatte ihn verändert - aber nicht vollständig. Ich war selbst dabei, als er Jordan gestern angeschaut hatte. Er wollte sie beschützen, das wusste ich, und deswegen benahm er sich eben sehr distanziert, passiv bis aggressiv.
    Aber das Gute in ihm war immer noch vorhanden. Ich wollte ihm eine weitere Chance geben, das zu beweisen.
    „Wo willst du hin?“, rief ich.
    „Ich muss weg.“
    „Du siehst schlecht aus.“
    Stephen warf mir über die Schulter einen Blick zu, während wir die Treppe erklommen. Es war anstrengend für mich, mit seinem Tempo mitzuhalten. „Ich fühle mich auch schlecht.“
    Er war so blass. Selbst seine Augenfarbe

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