Gray Kiss (German Edition)
besonders, meinen Hunger zu unterdrücken und mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Der ewige Kampf.
Bishop schaute sich um. „Wo ist denn Kraven hin?“
Ich sah über meine Schulter und entdeckte ihn sofort. Man konnte den Goldschopf nicht übersehen, auch nicht in einer Menschenmenge. „Er steht an der Bar und holt sich was zu trinken.“
„Typisch. Schon immer betrank er sich lieber als zu arbeiten.“
Ich warf ihm einen überraschten Blick zu. „Dämonen können sich betrinken?“
„Hallo? Er war mal ein Mensch.“
„Du auch“, stellte ich fest. Bishops Reaktion folgte auf dem Fuß. Das war schon fast amüsant, wie ein Pawlowscher Hund. Glockenton, Speichelfluss. Erwähnte man Bishops Vergangenheit, wurde er verdrießlich.
„Ja“, gab er schließlich zu. „Manche Dinge ändern sich nicht. Alkohol und andere Drogen haben trotzdem Auswirkungen auf uns, wenn wir nicht aufpassen.“
„Vielleicht will er ja die Erinnerung an das wegspülen, was er vorhin mit mir machen musste.“
Das fand Bishop gar nicht komisch. „Du meinst den Kuss?“
Wie peinlich! „Ja. Na ja, er kann mich nicht leiden.“
„Er kann dich besser leiden als mich. Er hasst mich abgrundtief.“
„Denkst du, er nimmt es dir immer noch übel, dass du ihn getötet und in die Hölle geschickt hast? Oh Mann.“ Es sollte eigentlich gar nicht so überheblich klingen. Na ja.
„Lass uns Stephen suchen“, wechselte Bishop abrupt das Thema.
Ich war frustriert. Mein Selbstvertrauen kam und ging. Gerade ging es mal wieder. „Tut mir leid, aber du warst es doch, der mir das erzählt hat. Und jetzt tust du immer so, als hättest du nie was gesagt.“
Er sah mich einen Moment völlig emotionslos an, dann grinste er. „Du willst echt meine intimsten Geheimnisse aus mir rauspressen, oder?“
„Rauspressen ist ein gutes Wort. Ich bin wie besessen davon.“
Sein Grinsen wurde breiter und traf mich wie ein Pfeil direkt ins Herz. „Besessenheit kann gefährlich sein, Samantha.“
Mein Blick wanderte zu seinen Lippen. „Als ob ich das nicht wüsste.“
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Club zu, dann fragte er mich: „Bin ich zu nah? Ich will es dir nicht schwerer machen als nötig.“
Ich schluckte und versuchte, mein Hungergefühl zu ignorieren. „Es ist immer schwer, wenn du in meiner Nähe bist.“
„Dann sollte ich dir etwas mehr Raum lassen.“
„So war es nicht gemeint. Es ist jetzt schon besser als vorher.“ Ich schnappte mir seinen Arm - Funken sprühten. Er erstarrte und sah mich an.
Dann schob er mich weg aus der Menge und in eine ruhige Nische, hinter einem durchsichtigen Kristallvorhang. Die laute Musik der Live-Band dröhnte noch immer, und ich verstand keinen Ton von dem, was der Leadsänger von sich gab. Doch ein bisschen leiser war es in der Nische und vermittelte die Illusion von so etwas wie Privatsphäre.
„Bishop, als ich letzte Nacht deine Erinnerungen gesehen habe …“, begann ich meinen Satz. Ich musste es loswerden, zu schwer lag mir das alles auf der Seele.
„Vergessen wir das.“ Er konzentrierte sich auf etwas hinter mir, aber vermutlich wollte er nur Blickkontakt vermeiden.
„Doch genau das ist es ja - ich möchte es nicht vergessen. Ich weiß, dass du denkst, dass ich etwas gesehen habe, was ich nicht sehen sollte. Weil du Angst hast, ich könnte dich deswegen abstoßend finden oder Angst vor dir haben. Dem ist aber nicht so.“
Er warf mir einen schiefen Blick zu. „Dann vermute ich mal, du hast nur halb so viel zu Gesicht bekommen, wie ich dachte.“
„Wieso kann ich das?“, flüsterte ich heiser. „Ich weiß, ich kann in deinen Kopf eindringen, allerdings kann auch ich sie nicht steuern.“
„Du bist ein Nexus.“ Er trat näher, damit auch er nicht so laut zu reden brauchte. Das Lied war zu Ende, und die Band stimmte ein neues an. Von hinter dem Vorhang drangen Gesprächsfetzen zu uns. „Du hast eine seltsame Macht über himmlische und höllische Dinge. Inklusive mich. Außerdem hast du mir einen Teil meiner Seele gestohlen … Tja, dadurch hast du bestimmte sehr mächtige Eigenschaften errungen.“
So leid es mir tat - ich konnte nicht einfach stillschweigend all die merkwürdigen Dinge hinnehmen, die mir in den letzten Wochen widerfahren waren. So war ich nun mal nicht. Doch je weniger ich über meine leiblichen Eltern nachdachte und über das, was dieser Umstand bedeutete - von dem ich nicht wusste, was er bedeutete - desto weniger Angst hatte ich.
„Ich
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