Gray Kiss (German Edition)
konzentrieren!“ Sie machte ein strenges Gesicht. „Und hörst du bitte damit auf?“ Sie legte ihre Hand auf seinen Bauch. Er biss die Zähne zusammen.
„Das ist nicht deine Angelegenheit.“
„Oh doch, das ist es. Zeig her. Und diesmal alle Stellen.“
Einen Moment lang schaute er sie an, ohne sich zu rühren. Dann zog er sich das Shirt über den Kopf.
„Wo sind meine Fünfdollarscheine, wenn ich sie brauche?“, fragte Kraven trocken. „Tu mir einen Gefallen und lass die Hose an.“
Roth sagte nichts, warf Bishop aber einen finsteren Blick zu. Er sah noch angewiderter aus als sonst.
Bishop schaute an sich selbst herunter und begutachtete die tiefe Schnittwunde in seinem Oberkörper. „Nur so kann ich bei Verstand bleiben.“
„Du solltest dir von Samantha helfen lassen“, schlug Cassandra vor.
Bishop schüttelte den Kopf. „Sie hat es ganz klar gesagt - sie will mich nicht mehr sehen. Und das ist auch besser so.“
Zack!
Ich küsste Colin immer noch, aber diese Szene in der Kirche gerade hatte mich wieder zur Besinnung gebracht. Ich schmeckte Colins Seele und sah sie vor mir - ein gespenstisch schimmerndes Band, das ihn Stück für Stück verließ und zu mir kam. Es ernährte mich. Ich hatte seine Seele fast komplett verschlungen, als ich mich endlich von ihm lösen und ihn wegschubsen konnte.
Er sank zu Boden. Dabei hatte ich doch nicht alles genommen!
Aber wohl den Großteil.
Schockiert starrte ich ihn an. Um seinen Mund hatten sich die schwarzen Linien gebildet, er war bleich und wirkte verwirrt. Außerdem wimmerte er schrecklich. Am liebsten hätte ich weitergemacht, aber ich schaffte es unter äußerster Aufbietung meiner Willenskraft, nicht wieder über ihn herzufallen.
Die Linien verschwanden, und Colin versuchte aufzustehen - was ihm nicht gelang. „Was ist passiert?“ Er blickte mich an. „Sam, was machst du denn für ein Gesicht?“
„Alles klar bei dir?“, presste ich hervor. Ich begann zu heulen.
„Ja, ich schätze schon. Mir ist nur etwas schwindelig, doch sonst …“
„Es tut mir leid.“
„Dass du mich geküsst hast?“ Er lächelte. „Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Das war toll.“
Ich schüttelte nur den Kopf und wischte mir die Tränen ab. Nach unseren zwei Küssen ging es ihm immer noch ganz gut. Ob eine Seele nachwuchs oder ob man auch ohne eine vollständige Seele leben konnte? „Ich muss los.“
„Wohin willst du denn?“
„Weg. Und zwar sofort.“
„Ich komme mit.“ Er wirkte so verloren, so einsam - als hätte er auf der ganzen Welt niemanden außer mir. Es tat mir in der Seele weh, allerdings konnte ich nichts daran ändern - ich musste Distanz zwischen uns schaffen. Es war zu seinem Besten.
„Nein. Bitte nicht, Colin.“ Ich rannte weg, zurück zu meinem Spind, wo ich meine Bücher ablegte und meine Jacke holte. Dann lief ich nach draußen. Ich würde den restlichen Unterricht verpassen, aber das war mir im Moment egal.
Ich hatte die Kontrolle über mich verloren. Und das Schlimmste - falls es noch schlimmer ging - war, dass mein Hunger nicht das kleinste bisschen weniger geworden war. Ich wollte mehr. Etwas in mir drin hatte sich verändert. Es war schlimmer als vorher. Bisher hatte ich mich im Griff gehabt, außer in Extremsituationen. Aber jetzt … Meine Selbstbeherrschung schwand in Sekundenschnelle.
Ohne den Ausflug in Bishops Verstand hätte ich Colins komplette Seele eingesaugt. Und dann wäre aus Colin entweder ein weiterer Gray geworden - oder ich hätte ihn getötet.
Ich rannte bestimmt einen Kilometer, bis ich mich traute stehen zu bleiben. Keuchend rang ich nach Luft.
Da ich Bishop ja gesagt hatte, er solle mich bloß in Ruhe lassen, war niemand da, der mich beobachtete und im Notfall aufhalten konnte. Alle waren in der Kirche und widmeten sich anderen Problemen.
Ich hatte mich in meinem ganzen Leben noch nicht so allein gefühlt.
Am liebsten wäre ich nach Hause gegangen, doch das durfte ich nicht.
Nach allem, was ich bei der Gedankenverschmelzung mitgekriegt hatte, war mir klar, dass ich in die Stadt musste. Ich musste Jordan finden. Sie war auf der Suche nach dem geheimnisvollen Modelscout, die Julie berührt hatte und die ihrer Meinung nach für Julies Sinneswandel und Selbstmord verantwortlich war.
Diese Eva war vielleicht ein Dämon mit einer Anomalie, der wie Natalie aus dem Schwarz geflohen war. Nur ernährte sie sich anstelle von von Seelen von guten Gefühlen und hinterließ bei ihren Opfern
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