Grayday
Glück, dass Sie in so einem schönen Schloss wohnen.«
»Vielen Dank, meine Liebe. Natürlich war vor achtzig Jahren absolut nichts hier. Nur ein Schutthaufen.«
»Wie bitte?«
»Oh, ja. Ist absolut wahr. Irgendwann einmal stand so was wie eine Befestigungsanlage auf den Felsen dort drüben, aber sie stürzte ein. Oder wurde sie geschleift? Ich weiß das nicht so genau. Mein Großvater war ein ziemlicher Romantiker. König auf Camelot und all das. Machte mit Kohle eine Menge Geld und setzte es sich in den Kopf, dass er einen Familiensitz haben müsste. Also kaufte er sich den Titel und den größten Teil des Landes hier in der Gegend und errichtete die Burg von Grund auf. Mit ziemlichem Erfolg, wenn ich persönlich das so sagen darf.«
Gabriella war enttäuscht. »Ich dachte, sie stammte aus dem Mittelalter.«
Dimross schien das seltsamerweise zu freuen. »Zeigt, was für ein gutes Auge der alte Herr hatte. Sie ist sehr viel malerischer als die meisten echten, und die Touristen erkennen bestimmt nicht den Unterschied. Britisches Erbe in seiner schönsten Form, würde ich sagen.«
Rajiv und Iqbal wirkten leicht verärgert, dass man sie ignorierte. Der Schauspieler legte Dimross einen Arm um die Schulter und fragte ihn, ob er auf die Jagd gehe. Dimross schob den Arm behutsam zurück, ehe er antwortete.
»Tja, es kommt darauf an, was Sie damit meinen. Ich besitze eine Moorhuhnheide. Und dann und wann schießt man Kaninchen, Dinge dieser Art.«
Rajiv versprach ihm, dass sie, sollte er jemals nach Indien kommen, zusammen auf die Jagd gehen würden. Als Prominenter könne er, gab er zu verstehen, Regierungsgenehmigungen für bestimmte Arten bekommen, die normalerweise mit Jagdverbot belegt seien. Als er mit der Schilderung einer Flinte begann, die er erwerben wolle, ergriff Gabriella die Gelegenheit, sich an Iqbal zu wenden.
»Da müssen Sie die Mutter fragen«, sagte er. »Jetzt ist sie für alles zuständig.«
Sie fand Mrs. Zahir auf einem Klappstuhl thronen, ihr Gesicht war hinter einer riesigen Sonnenbrille fast völlig verborgen. Einer der Laufburschen wartete nervös, während sie mit einem Mann, der offensichtlich ein Reporter war, ein Gespräch führte. Sie spähte zu Gaby herüber, die bemerkte, dass ihr Äußeres taxiert wurde. Ein herber Hauch Feindseligkeit stieg von dem Stuhl auf. Mrs. Zahir beendete das Interview, scheuchte den Mann weg und klappte ihr Handy auf.
»Was für hübsche Schuhe«, sagte sie.
»Vielen Dank. Was für ein hübsches Top.«
Die Atmosphäre konnte nicht boshafter sein.
Gabriella wartete, während Mrs. Zahir sich mit so etwas wie einem Astrologen über die Position ihres Stuhles zu einem nahen Scheinwerfer unterhielt. Sie war besorgt, dass die Strahlung ihre Verbindung zu den heilenden Kräften des Universums unterbrechen könne. Sollte sie wegrücken? Die Antwort schien ja zu lauten, und der Laufbursche wurde dementsprechend angewiesen, den Stuhl zu verrücken. Nachdem sie sich zur Sicherheit zwei Meter weiter links niedergelassen hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit Gaby zu, die ihr erklärte, was sie wünschte. Nach den rituellen Einwänden wurde schließlich Leela auf den Burgzinnen angerufen. Ja, sie sei bereit, mit der Presse zu sprechen. Ja, in einer Gruppe. Fotos. Alles in Ordnung. Gaby machte sich auf den Weg, um die gute Nachricht zu verbreiten.
Sie warf einen Blick in den Andenkenladen, der mit Teddybären in Kilts, Dosen mit Mürbegebäck und Büchern mit leicht unscharfen Fotos voll gestopft war. Dort gab es Glencoe-Massaker-Brettspiele und Baukästen, aus denen man einen kleinen Pappbauernhof zusammenbauen konnte. Ihr Blick fiel auf einen Stoffzwerg. Der beste Ort für eine Pressekonferenz wäre fraglos die Snackbar. Sie lieh sich einen der Laufburschen aus, gab ihm die Anweisung, einen Tisch aufzustellen, und ging los, um ein Mikrofon aufzutreiben.
Eine Stunde später waren die Dinge völlig außer Kontrolle geraten.
Einer nach dem anderen waren die Wagen auf den Parkplatz zurückgekehrt, zehn, fünfzehn, zwanzig – Außenübertragungswagen, Taxis, die streitende Zeitungsleute sich geteilt hatten. Sie kamen aus Taipeh und Moskau, aus Frankfurt und L.A. Die Pressemeute, vorher mehr oder weniger überschaubar, zählte inzwischen fast 200 Leute. Von einer rempelnden Menge, die durchweg Fragen, besondere Bedürfnisse und Gründe hatte, den anderen gegenüber vorgezogen zu werden, in eine Ecke gedrängt, versuchte Gaby gleichzeitig, die Konferenz in das
Weitere Kostenlose Bücher