Grayday
reisen lassen. Es war ein Experiment, das sie nicht wiederholen würde.
Zu Beginn von Leelas Karriere war Faiza keine Sekunde von ihrer Seite gewichen. Obwohl sie ihre eigenen Ambitionen, Zahir zu heiraten, aufgegeben hatte, war sie mit der Branche in Kontakt geblieben. Sie sei nicht der Typ Mutter, erzählte sie den Illustrierten, die stellvertretend durch ihre Tochter lebe. Es war nur schlichtweg so, dass sie, da sie selbst in der Branche gearbeitet hatte, die Möglichkeiten kannte. Leela hatte Talent, das einfach darauf brannte, sich zu entfalten. Es verkümmern zu lassen, wäre ein Verbrechen. Und so hatte sie jedes Shooting und jedes Interview überwacht, Leelas Garderobe, ihre Aktivitäten und Freunde ausgesucht, Tag für Tag auf glühend heißen Sets und Nacht für Nacht auf Partys und Filmpremieren zugebracht, hatte sie herumgezeigt und Produzenten und Regisseure gedrängt, ihr eine Chance zu geben.
Natürlich wusste das Kind nicht recht zu schätzen, was für seine Karriere getan wurde. Wenn sie allein waren, weinte Leela und fragte, warum sie Dinge tun musste, die ihre Mutter ihr vorschrieb. Sie wollte nicht mit all diesen alten Männern reden. Sie wollte nicht so enge Blusen, so durchsichtige Saris tragen. Es war ein harter Kampf. Welche andere Tochter weinte schon darüber, wenn sie von ihren Schulbüchern weggelockt wurde, um auf eine Party zu gehen?
In Filmkreisen erwarb Faiza Zahir sich den Ruf einer äußerst liebevollen Mutter, einen Ruf, dem sie mit sentimentalen Zeitungsartikeln und Mutter-Tochter-Illustriertenporträts sorgsam Nahrung gab. Die siebzehnjährige Leela wurde oft zum Thema ihrer gegenseitigen Bewunderung zitiert. Meine Maa ist meine beste Freundin. Einen Tag ohne sie ertrage ich nicht. Die Abwesenheit von Mr. Z. war gelegentlich das Thema gehässigen Klatsches, aber alles in allem erstarrten die Autoren (und die Millionen von Fans, deren Meinungen sie formten) in Ehrfurcht vor Leelas Schönheit, der Grazie ihres Tanzes, der Art, wie sie das Gefühl vermittelte, hinter ihren vollkommenen Gesichtszügen und ihrer makellosen Haut verberge sich ein Quell von Emotionen, ein Gespür für Schmerz und Tragödien.
Manchmal stellte Faiza fest, dass der wachsende Ruhm ihrer Tochter sie nervös machte. Sie schien ohne jedes Hemmnis frei durchs Leben zu schweben. Geld floss in Strömen, sie hatten sich von Zahir und seinem langweiligen Stahlwerk gelöst, aber zu Hause war Leela verschlossen und Faiza eifersüchtig. Ihre Streitereien wurden heftig, lange andauernd.
»Ich habe das Gefühl, ich habe nicht einmal einen Namen! Ich bin ein Niemand, nur Leela Zahirs Mutter!«
»Also, das habe ich nie gewollt!«
»Wenigstens könntest du mir etwas Dankbarkeit zeigen!«
Und so weiter, immer im Kreis. Manchmal zerschlug eine von ihnen etwas. Einmal schluckte das dumme Kind ein paar Tabletten. Faiza hatte einen verschwiegenen Arzt, und nichts geriet in die Zeitungen, aber auf einem Wartezimmerstuhl zusammengesackt, bereute sie doch einige Dinge, die notwendig gewesen waren. Diesen runzeligen alten Sack Gupta zum Beispiel. Das war für ein junges Mädchen sicher hart gewesen. Aber auch sie hatte schwierige Dinge erledigt. Je schneller man in diesem Leben seine albernen Vorstellungen von Romantik sausen ließ, desto besser.
Sie nahm in dem winzigkleinen Badezimmer eine Dusche, dann klappte sie den Reisekoffer auf und suchte in ihrer Garderobe nach einem geeigneten Outfit für ihre Anwesenheit auf dem Set. Als sie sich umgezogen hatte, rief sie in der Rezeption an, um ihnen zu sagen, sie sollten einen Wagen kommen lassen.
Es war einer dieser Hochlandtage, an denen die Sonne in weichen, gelben Strahlen durch die Wolken sickert und die Welt etwas Spirituelles bekommt; an denen die Feuchtigkeit der Luft jeden Lichtstrahl bricht, jede Blickrichtung ablenkt und eine Bresche öffnet, in der Dinge unbeobachtet existieren können.
Gaby hatte ihre Abreise völlig vergessen. Sie schirmte ihre Augen mit einer Mappe voller Produktionsnotizen ab, als sie neben einem Gerüstturm stand und zusah, wie Leela an den Zinnen von Dimross Castle entlangtanzte. Leela war in Smaragdgrün gekleidet und hielt ein großes Seidentuch in den Händen, das sich hinter ihr blähte wie ein Segel. Ihr folgte eine Gruppe Tänzerinnen in kontrastierendem Violett, die ihre Bewegungen spiegelten, während Leela sich den schmalen Laufgang entlang wiegte und drehte.
Lautsprecher waren an der Basis der Burgmauern aufgestellt worden.
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