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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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mutwillig beschädigten Wartehäuschen stand. Wind und Stille. Das Kalifornien des Nicht-Autofahrers.
    Zuerst hatte es daran gelegen, dass er sich nicht sicher, nicht ruhig genug fühlte. Dann, dass er nie an einem und demselben Ort war. In letzter Zeit, jetzt, da er verzweifelt war, da das Gefühl, von dieser Umwelt herabgesetzt zu werden, sich zu dem Verdacht gesteigert hatte, tatsächlich körperlich zu schrumpfen, jetzt hatte er nicht mehr das Geld, um Fahrstunden zu nehmen.
    Seinen Traum zu leben erwies sich als schwierig.
    Wenn er zurückdachte, waren die Zeichen dafür gleich am Anfang da gewesen. Als Sherry ihn vom Flughafen abholte, war er zu sehr damit beschäftigt gewesen, aus dem Wagenfenster zu blicken, um ihr festgeschraubtes, von Abscheu erfülltes Grinsen zu bemerken. Mit ihrer Geschäftskarte (Sherry L. Parks, Personalchefin von Databodies) in der Hand, hatte er in kompletter Beifahrer-Zufriedenheit dagesessen und sein erstes McDonalds, sein erstes Stopp-Schild, seinen ersten Highway-Streifenwagen gezählt. Selbst als sie mit seinen Koffern durch die Fliegengittertür ratterten und in das Haus traten, war er durch seine großen Erwartungen zu sehr geblendet gewesen, um zu bemerken, wirklich zu bemerken, wie bedrückt die Männer aussahen, die im Wohnzimmer stumm um einen schneeigen tragbaren Fernseher herumsaßen.
    »Hallo Vee-jay, hallo Sah-leem, hallo Row-heet«, zwitscherte Sherry und verzog ihren Mund zu einem Lächeln, das die anderen, wie Arjun später erfuhr, ihr »Mutter-Theresa-unter-den-Leprakranken-Lächeln« nannten. Keiner reagierte. Das war ihm peinlich, und er blickte zu Boden. Auf dem gemusterten Teppich lagen leere Sprudelflaschen, Socken, chappals, O’Reilly-Technik-Handbücher, Verpackungen von Fertiggerichten. Der mit dem buschigen Schnurrbart hatte einen schmutzigen Teller in heiklem Gleichgewicht auf der Armlehne seines Sessels abgestellt. Er streifte die Asche seiner Zigarette darauf ab, dann lehnte er sich vor und streckte seine Hand aus.
    »Willkommen auf der Bank, bhai.«
    Die Bank. Auf der man darauf wartet, dass man spielen darf. Ungefähr drei Tage auf der Bank zu sitzen war cool. Zumindest als Arjun mit seiner neuen Telefonkarte seine Familie anrief, klang es cool. Auf der Bank. Als wäre er in die quasi militärische Kultur des amerikanischen Sports aufgenommen worden und führe ein Leben voller Abklatscher und Gedränge, Auszeiten, Play-offs, Spitballs. Als Sherry ihn zu seiner persönlichen Vorstellung in die Stadt fuhr, ließ er sie bei einem Foot Locker halten, wo er sich das Raiders-Shirt kaufte, um das Gefühl, auf der Bank zu sitzen, noch zu steigern.
    Sprachlicher Glamour. Beispiele: Wenn er vor dem Fernseher saß, war es ein tube, wenn er an seine Eltern dachte, dachte er an sie nicht als seine Eltern, sondern als the folks back home. Die anderen taten es auch; kleine Experimente mit Slang, versuchsweise neue Betonungen. Du sagtest von der Fernsehcouch aus zu allen, die nach einem Anruf bei der Familie die Treppe herunterkamen und die Telefonschnur hinter sich herzogen:
    How are the folks back home?
    Und sie antworteten:
    A-ok, man. They’re good.
    The folks. Die Bank. Man, good.
    Bis zum zweiten Tag, als Arjun fragte, wo er denn arbeiten werde, und ihm gesagt wurde, der Job, den Databodies ihm fest zugesagt habe, sei in Wirklichkeit überhaupt nicht garantiert. Er werde telefonisch Bewerbungsgespräche mit potentiellen Klienten führen müssen. Bis er bei seinem persönlichen Vorstellungsgespräch einem Mann die Hand schüttelte, der wie ein Klon von Sunny Srinivasan wirkte, nur fieser, gerissener, weniger verführerisch, ein Mann, von dem sich herausstellte, dass er Sunnys Schwager war, und der ihn kühl davon in Kenntnis setzte, dass Databodies, bis er sich erfolgreich um einen Posten beworben habe, ihm monatlich einen Gesamtbetrag von fünfhundert Dollar zahlen werde, wovon man ihm die Hälfte als Miete für den Anteil des Hauses abziehe. Arjun erinnerte ihn an die fünfzigtausend Dollar pro Jahr, die ihm sein Vertrag garantiere. Sunnys Verwandter zuckte die Schultern. Wenn’s Ihnen nicht gefällt, sagte er, können Sie jederzeit wieder nach Hause fahren. Sie bezahlen uns Ihr Visum und das Ticket, und wir berechnen Ihnen eine Verwaltungsgebühr für den ganzen Aufwand. Zehntausend sollten dafür reichen. Rupien? Nein, bhai, Dollar.
    Arjun stellte ein paar Berechnungen an. Dabei wurde schnell klar, dass er (wenn er seine Ausgaben abzog) an jedem Tag, den

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