Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
Vom Netzwerk:
so was im Sexualkundeunterricht beigebracht. Du darfst nicht vergessen, dass ich deine Erfahrungen nicht habe.«
    Chris kniff die Augen zusammen. »Was meinst du mit Erfahrungen?«
    »Sexuelle Erfahrungen. Natürlich – ich weiß, wie es geht. Ich bin nicht total ungebildet, verstehst du.«
    »Du weißt, wie es geht?«
    »Beim Sex. Ich habe ’ne Menge darüber gelesen. Es ist wichtig, sich weiterzubilden. Ich habe natürlich auch Fotos gesehen …« Er verstummte allmählich.
    »Du hast eine Menge gelesen.«
    »Ja.«
    »Aber du hast es auch gemacht.«
    Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich in die Länge, es wurde nur unterbrochen vom Rumpeln sie überholender Wagen. Arjun starrte auf seine Hände.
    »Na ja, nicht direkt.«
    »Du meinst, mit einem anderen Typen. Homosexualität.«
    »Mit niemandem.«
    »Du hast noch nie Sex gehabt?« Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Arjun, willst du mir damit sagen, dass du eine Jungfrau bist?«
    »Grobe Witze darüber sind unnötig.«
    »Entschuldige. Aber du bist wie alt? Dreiundzwanzig?«
    Er nickte. Chris überlegte.
    »Das ist ein Trick von dir, stimmt’s? Du denkst, wenn du sagst, dass du eine Jungfrau bist, werde ich Mitleid mit dir haben und mit dir vögeln.«
    Arjun wurde sehr still. Als er wieder sprach, war seine Stimme leise und fest. »Vielleicht solltest du einfach anhalten. Ich möchte nicht dasitzen und mich beleidigen lassen.«
    »Mein Gott, sagst du die Wahrheit?«
    »Warum sollte ich lügen?«
    »Ja, warum solltest du lügen?«
    Sie beschloss, sich nicht da hineinziehen zu lassen, fuhr weiter die Straße entlang und dachte im Stillen: eine Jungfrau? Oh Mann.

S päter pflegte Chris klarzustellen, dass ihr Entschluss, mit Arjun zu schlafen, einzig und allein den Drogen angelastet werden konnte. Gäbe es ein nationales System, aus Fehlern zu lernen, dann würde man die Geschichte aufschreiben und als Regierungs-Informationsbroschüre an Schulkinder verteilen, als lebensechte Warnung, warum Drogen schlecht und die Leute, die sie nehmen, dumm sind.
    Als ein paar Wochen darauf an einem von Nics Kumpelsamstagabenden Männer mit Bier und Snacks und dem Urtrieb, über Mariners-Spiele zu quatschen, in ihre Wohnung einfielen, wich sie in die Iron Bar aus, eine leicht fetischmäßige Schwulen-und-Lesbenkneipe in der City, und setzte Toris Clique über den Abend in der Mall und Arjun Mehtas Welt mehr im Allgemeinen ins Bild. Arjun, erklärte sie, sei wirklich ein goldiger Kerl. Er sei weder richtig frauenfeindlich noch schwulenfeindlich, nur naiv. Brächte man ihn auf das Thema Computer, könnte man fast vergessen, was für ein Spinner er sei.
    Vielleicht war es gefühllos, das Thema Jungfräulichkeit aufs Tapet zu bringen, vielleicht sogar boshaft, aber es war Samstagabend, und sie tat es, und man lachte darüber. Ich sage euch, er ist so grün und unerfahren wie an dem Tag, als er aus dem Flugzeug stieg. Das ist doch nicht dein Ernst. Wie alt? Carlos (das war vorauszusehen) sagte, oh, gib mir seine Telefonnummer. Tori (dito) begann über Dildos zu reden. Bald hing die Idee in der Luft, dass es irgendwie amüsant wäre, etwas mit Arjun anzustellen. Das Thema kam den ganzen Abend immer wieder zur Sprache. Szenarien wurden erdacht, Positionen erfunden. Ein ausgedehnter Riff über das Wort defloriert erfasste den Tisch. Irgendwo später im Kiez schluckte Chris eine halbe Ecstasy-Tablette und zog sich eine Linie Speed rein, und irgendwann danach, als sie noch ein paar Linien geschnupft hatte und von der Musik im Club angeödet, aber immer noch nicht bereit war, sich dem besoffenen, geilen aus dem Hals stinkenden Nic nach seinem Männerabend auszusetzen, kam es ihr langsam wie eine gute Idee vor, die Sache wirklich zu Ende zu bringen, noch eine halbe Pille zu schlucken, hinüber zu Arjun zu fahren und sich von ihm ficken zu lassen.
    Das, dachte sie, als sie in einem Taxi auf dem Rücksitz herumrutschte, wird eine tolle Geschichte geben. Es überrieselten sie kleine flatterige Wallungen, und die Vorstellung, berührt zu werden, erschien ihr eigentlich angenehm, und sie trank aus einer Flasche schlückchenweise Wasser und kaute Kaugummi und dachte wirklich nicht darüber nach, was sie tun oder sagen würde, wenn sie dort wäre. Er war ein Mann. Sie fuhr zu ihm, um ihm Sex anzubieten. Wie einer Laborratte. Was konnte einfacher sein? Ihr serotoningetränktes Hirn spiegelte sich eine Version Arjuns mit Zuckerkruste vor, der eher schlank als schlaksig, dessen Haut eher

Weitere Kostenlose Bücher