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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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Beschlag. Thailand oder Mauritius, Sansibar oder Cancún, Sharm el Scheik oder Tunesien, Bali oder die Goldküste, Papeete, Grand Cayman oder Malibu. Alle Ferienziele waren für ihn da.

A m Morgen darauf (zu der Zeit hatte Variante 01 schätzungsweise an die 3,2 Millionen Hosts in der ganzen Welt infiziert) begann Leela ihren Zauber auf das Leben von Guy Swift auszuüben. Ihr Opfer fuhr zur Arbeit und ließ seine Freundin im Bett, die so tat, als würde sie schlafen. Auf der Fahrt blätterte er die Sun des Taxifahrers durch, überflog Artikel über Pädophile und Fernsehmoderatorinnen, über den Aufkauf einer Fußballmannschaft und eine atombusige Gastwirtstochter aus Surrey. Er hatte schlecht geschlafen und war mehrere Male während der Nacht hochgeschreckt, überzeugt, er komme zu spät zu einer Konferenz. Inzwischen fühlte er sich, als sickere seine Denktätigkeit durch ein diffuses Hemmnis im Gehirn, etwas Haferbreihaftes in Konsistenz und Beschaffenheit, das Schlüsselsynapsen daran hinderte zu zünden.
    Die Straße in Shoreditch, auf die das Tomorrow* -Gebäude blickte, war von Dickensscher Enge und Verkommenheit. Zu ebener Erde überzogen illegal geklebte Plakate und gesprayte Graffiti die Mauern der Backsteinhäuser mit ihren hohen Fenstern. Jemand hatte ein altes Sofa an einer Reihe städtischer Mülltonnen abgelegt. Als das Taxi um die Kopfsteinpflasterecke rumpelte und er das Tomorrow*- Transparent über der Fabriktür erblickte, durchfuhr ihn schmerzhaft eine bange Sorge. An den meisten Morgen, es sei denn, er fühlte sich schwach von der Nacht davor, erfüllte ihn der Anblick seiner Firmenzentrale mit Begeisterung. Heute hatte er die dunkle Ahnung, dass irgendwas nicht stimmte, was sich, kaum trat er durch die Tür, auch bestätigte.
    Ungefähr ein Dutzend Leute standen in der Rezeption herum. Andere spielten eine Partie Tischfußball. Alle wirkten sie fröhlich, was wahrscheinlich auch damit zusammenhing, dass keiner von ihnen arbeitete. In seinen seltenen Augenblicken des Selbstzweifels befiel Guy zuweilen die Sorge, dass einige Mitarbeiter in seiner Firma sich nicht hundertprozentig bemühten, die Ziele von Tomorrow* zu erreichen. Daher hatte er eine dreiteilige Managementstrategie entwickelt: (Punkt eins) Förderung einer Kultur gemeinsamer Zielsetzungen, (Punkt zwei) öffentliche Belohnung hervorragender Leistungen und (drei) Ausschnüffeln von E-Mails und Belauschen von Telefongesprächen, um herauszufinden, wer gegen ihn war. Das Bedürfnis zu spionieren packte ihn nur gelegentlich, erbrachte aber gewöhnlich keine überzeugenden Beweise. Vollkommen verkniffen hatte er es sich seit dem mit Stoli gesättigten Abend, als er die David-Beckham-Fotos im Postausgang der Rezeptionistin durchgeblättert hatte und dabei auf eine Mitteilung gestoßen war, die ihn in nur drei Zeilen mit »Seine Lordschaft«, »Waschlappen« und »Mr. Toupet« betitelte. Am nächsten Tag hatte er im vollen Katzenjammer den Vertrag mit dem Mädchen gekündigt und dabei »Vorzeigbarkeitsprobleme« (ein tief ausgeschnittenes Top, das ihm davor ziemlich gut gefallen hatte) als Grund genannt. Er hatte sich niemandem anvertraut, und hinterher hatte der Vorfall ihn beunruhigt: Er war sich ganz und gar nicht sicher, ob eine solche Kündigung seinen moralischen Grundsätzen entsprach.
    Angesichts eines Haufens untätiger Angestellter brach sein latenter Verfolgungswahn durch. Ausgerechnet jetzt, da die ganze Zukunft der Firma auf dem Spiel stand, wollten die Schweinehunde sich gegen ihn erheben. Er blieb wie angewurzelt in der Tür stehen, während er gegen ein irrationales Verlangen zu fliehen ankämpfte.
    »Guy, bei uns gibt’s Ärger.«
    Es war Caedmon, der das Netzwerk unter sich hatte. Guy nickte nervös. »Das sehe ich. Was zum Teufel machen die Leute hier?« Er wandte sich, die Hände in einer beschwichtigenden Geste ausgestreckt, seiner Belegschaft zu. Ich bin euer König. Geht zurück in eure Dachkammern. »Weshalb stehen Sie hier alle herum? Na los, Leute, das hier ist kein Zeitvertreib. In ein paar Tagen müssen wir mit dem Auftrag Al-Rahman fertig sein.«
    Keiner unternahm einen Schritt, ihm sein Perückenhaupt mit einer Guillotine vom Rumpf zu trennen. Vielmehr fingen alle an zu reden und umringten ihn, um ihren fanatischen Arbeitseifer und ihre Bestürzung darüber zu bekunden, dass der Ausfall des Computernetzes sie daran hinderte, ihr brennendes Verlangen nach produktiver Arbeit zu stillen. Ein oder zwei Angestellte

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