Grayday
gesagt.« Guy sah sie verständnislos an. »Ranjit«, half Kika nach, »Ihr Chefwerbetexter.« Guy nickte vage. An der Rezeption gab Kika den restlichen Nichtstuern bekannt, dass Mr. Toupet nun wirklich den Verstand verliere.
Als der Druck langsam wich, saß Guy brütend hinter der geschlossenen Tür seines Kreativbereichs. Er wurde sich immer unsicherer, was die Affektiertheit seiner Gesten anging, und brauchte immer dringender jemanden, dem er die Schuld in die Schuhe schieben konnte. Caedmon war die nahe liegende Zielscheibe. Von Stunde zu Stunde kam er ihm nutzloser und unfähiger vor. Ein Problem war per definitionem jemandes Verschulden, und wer sonst könnte das in diesem Fall sein? Wenn Guy jetzt so drüber nachdachte, hatte dieser Bursche mit seiner angeblichen Fanmagazinsammlung und seinem Lexikonwissen über New-Wave-Bands der frühen Achtziger etwas Blasiertes an sich. Die Frauen im Büro verhätschelten ihn. Für seinen Geburtstag legten sie zusammen und kauften ihm ein Mountainbike. Aber wenn es zu einem echten Notfall kam, wen interessierte es dann, ob dein Computerfritze beliebt war? Er war offenbar dem Job nicht gewachsen. Guy rief Kika an und sagte, sie solle irgendwelche Computer-Sicherheitsspezialisten herholen, die das Chaos beseitigen könnten. Dann führte er ein kurzes Gespräch mit Caedmon. Danach ging alles blitzartig den Bach runter.
Was das Schlimmste war: Caedmon schien nicht einmal entsetzt darüber zu sein, dass er seinen Job los wurde. Er zog die Stirn kraus, schlenderte gemächlich aus der Besprechung und sagte nur noch, er sei in der Kneipe, falls Guy seine Meinung ändern sollte. Ein paar Minuten später kam Kika mit der Mitteilung herein, sie habe fünf Firmen angerufen, aber keine wolle helfen. »Sie meinten, frühestens in ein, zwei Tagen«, erklärte sie. »Bis dahin müssten sie ihre Stammkunden bevorzugt bedienen.« Guy schnauzte sie an, dass sie zu nichts zu gebrauchen sei, und griff selbst zum Hörer. Er schrie, drohte und erreichte nichts. Offenbar hatten alle dieses Virus. Möglicherweise war es ja so etwas wie ein islamistischer Anschlag.
Allmählich dämmerten ihm die Gründe für Caedmons Gleichgültigkeit. Eine Weile stolzierte er im Haus herum, das Telefon ans Ohr gepresst. Dann bemerkte er, dass er stolzierte, und bemühte sich, männlich-zielstrebig zu schreiten. Es lief aufs selbe hinaus. Keiner wollte zuhören. Keiner wollte helfen. Wie viele Geschäftsleute hatte er eine geradezu theologische Einstellung zu Computern. Sie waren wichtig und auf rätselhafte Weise nützlich, aber es war die Aufgabe der Priesterschaft, sich mit ihnen zu befassen. Keine technische Hilfe zu finden, war wie nackt vor Gottes Strafgericht zu stehen. Er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte, keine Möglichkeit, den Ernst seiner Lage auch nur einzuschätzen.
In diesem Moment bemerkte er, dass er laut redete. Und dass seine Mitarbeiter ihn anstarrten.
Kika überredete ihn, wieder nach oben zu gehen. Sie ließ ihn sich mit einem Glas Quellwasser auf seine Eames-Liege setzen. Sie schaltete den Fernseher ein und reichte ihm seine Fernbedienung. Als der Strom der Bilder seine beruhigende Wirkung tat, schlug sie behutsam vor, er sollte vielleicht versuchen, Caedmons Entlassung rückgängig zu machen.
Dazu gab es keine Alternative. Er tätigte den Anruf. Caedmon schien nicht überrascht zu sein, von ihm zu hören. Guy entschuldigte sich. Caedmon sagte, kein Problem. Er habe schon ein anderes Jobangebot, und wegen seiner Kündigungsklausel (er nannte die Nummern der Paragraphen und Unterparagraphen) würde er eine Zeit lang praktisch zwei Gehälter kassieren. Es hatte also prima geklappt.
Guy entschuldigte sich noch einmal. Dann bettelte er versuchsweise ein bisschen.
Caedmon besaß den Anstand, sich jedes Anzeichens von Triumph in seiner Stimme zu enthalten, als er rasch eine Gratifikation, eine Gehaltserhöhung von 8000 Pfand und zwei zusätzliche Wochen bezahlter Urlaub aushandelte. Als er erklärte, für den Moment sei er in der Kneipe wunschlos glücklich und wäre daher nicht in der Lage, vor dem nächsten Morgen wieder anzufangen, unternahm Guy einen übermenschlichen Versuch, seine Wut im Zaum zu halten. Es gelang ihm mehr oder weniger. Caedmon sagte, am nächsten Tag gegen neun sei er wieder da.
Erschöpft starrte Guy auf den Fernseher. Der berichtete von einem »weit verbreiteten Chaos in der Londoner City«, von »zeitweiligen Stromausfällen« und »Durcheinander«. Es
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