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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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einem Actionfilm, besetzt. »Und so, Miss Caro«, schloss er, »habe ich mich selbst berühmt gemacht.« Während er es sagte, krempelte er seine Hemdärmel hoch und fixierte sie mit einem direkten Blick. Sie merkte, dass die Muskulatur seiner Unterarme, ihre leichte, flaumige Behaarung sie verwirrte.
    »Nennen Sie mich Gaby«, sagte sie.

    In ihrem Zimmer warf sie einen Blick auf ihr Handy, das auf dem Nachttisch lag und gerade neu aufgeladen war. Guy hatte eine SMS geschickt: vermisse dich anruf? Außerdem waren zwei Nachrichten in der Mailbox. Er frage sich, wo sie sei, bedauere, keine Verbindung bekommen zu haben. Jetzt breche er nach Dubai auf, um einen bedeutenden Auftrag abzuschließen. Nach seiner Rückkehr wolle er sie sofort sehen. Guys Aufträge waren immer bedeutend, wichtig oder grundlegend. Sie löschte die Mitteilungen.
    Sie zog die Schuhe aus, legte sich aufs Bett und sah sich einen Film mit Rita Hayworth an. Irgendwann nach Mitternacht trat sie ans Fenster, um zu rauchen und sich die Burgbeleuchtung anzusehen. Genau am Rand des Sees, wo sich die Wiese zum Wasser hinabsenkte, stand die Frau in dem weißen Nachthemd. Heute Nacht war nichts Geisterhaftes an ihr. Sie trug einen dunkelfarbigen Mantel, der ihr bis zu den Knien ging, und eine Art Kopftuch über ihrem Haar. Sie wirkte menschlich, irdisch: ein schlafloser Hotelgast, der sich gegen die Kühle eingemummt hatte.
    Ohne weiter nachzudenken, zog Gaby eine Jacke über und trat hinaus auf den Korridor. Unter einer der Nachbartüren drang das leise Geräusch eines Fernsehers nach draußen. Sie ging um die Rezeption herum, in der der Nachtportier über einem Paperbackroman saß und schläfrig in seiner Nase bohrte, und schlich auf Zehenspitzen durch den dunklen Speisesaal, der schon zum Frühstück gedeckt war. Auf den Tischen lagen kunstvoll gefaltete Servietten, Teetassen, und die Silberbestecke waren pedantisch angeordnet. Zwei Glastüren blickten auf eine kleine Terrasse. Sie waren, wie sie es erwartet hatte, unverschlossen. Draußen schnitt die Kälte durch ihre Kleider, und eine Welle von Feuchtigkeit stieg aus dem Rasen zu ihrem Gesicht und den Händen auf. Der Himmel über den Bergen hatte das satte Dunkelrot nördlicher Sommernächte.
    Sie spazierte über den Rasen auf den See zu, wobei sie zwischen sich und der Gestalt, die zur Burg hinüberblickte, etwas Abstand hielt. Als sie auf gleiche Höhe kam, stieß die Frau einen Laut des Erschreckens aus, trat ein paar Schritte zurück und drehte sich halb herum, als wenn sie weglaufen wollte. Gaby winkte ihr und begann zu sprechen, wobei ihre Stimme in der Stille furchtbar laut klang.
    »Ich konnte nicht schlafen. Entschuldigung.«
    »Ist schon okay.« Die Stimme hatte einen indischen Akzent. Sanft und mädchenhaft. Gaby trat näher und sah sich, wie sie es erwartet hatte, Leela Zahir gegenüber. Indiens Dreamgirl rauchte eine B&H Gold und hielt das glänzende Päckchen wie einen Talisman fest. Selbst im Mondlicht konnte Gaby sehen, dass sie nicht genau das Ebenbild des tanzenden Mädchens in den Filmausschnitten war. Das Haar dieser Leela hier war ungewaschen, und glatte Strähnen schauten rund um ihren Kopf unter dem Tuch hervor. Sie hatte dunkle Ringe um die Augen und eine wunde Oberlippe wie von einer Erkältung.
    »Haben Sie Feuer?«
    Leela Zahir nickte und reichte ihr eine Schachtel Streichhölzer. Als Gaby ihre Zigarette anzündete, schnippte Leela ihre in das Wasser. Dann zog sie ohne Zögern die nächste aus dem Päckchen.
    »Wie heißen Sie?«
    »Gabriella. Sie müssen wohl Leela sein.«
    »Ja«, sagte sie mit leiser Stimme. »Das muss ich wohl sein.« Sie rauchte, wobei sie die Zigarette zwischen Mittel- und Zeigefinger quetschte, die sie sehr gerade hielt. Beim Ziehen stülpte sie die Lippen vor wie ein Kind, das Erwachsene nachahmt.
    »Meinen Glückwunsch zum gestrigen Geburtstag«, sagte Gaby. Leela warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Man hat mich hergeschickt, damit ich an dem Film mitarbeite.«
    »Als was?«
    »Öffentlichkeitsarbeit. Sie wissen wahrscheinlich von all den Journalisten.«
    Leela nickte und machte mit dem Kinn eine ruckartige Bewegung hinüber zur Burg.
    »Und sie wollen wissen, warum ich nicht da drüben bin und auf dem Dach hin und her laufe.«
    »Na, so ungefähr. Das und alles über das Computervirus.«
    Plötzlich streckte Leela ihre Hand aus und packte Gaby am Handgelenk. Ihr Griff war erstaunlich fest.
    »Wird man jetzt meine

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