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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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Filmausschnitten ab, in denen Leela Zahir sang und tanzte; eine Stimme erklärte, dass nach einer Tennisspielerin und einer Stripteasetänzerin die Schauspielerin die Letzte in einer Reihe von Frauen sei, die mit dieser Art von Computerverbrechen in Verbindung gebracht werde. Wenn sie von den Agenturfotos absah, bekam Gaby sie jetzt zum ersten Mal richtig zu Gesicht. Sie tänzelte mitten auf einer Londoner Straße entlang, gefolgt von einer Schar gleich gekleideter Tänzerinnen, wobei sie sich mit kokettem Blick in die Kamera mit der Hand über das Gesicht strich. Auf ihren Papierfotos hatte sie wie jede andere durchschnittliche indische Schauspielerin ausgesehen, eine selbstbewusste schwarzhaarige Barbie, aber mitten in der Song-und-Tanz-Nummer meinte Gaby noch was anderes wahrzunehmen, eine Leere hinter ihren Augen, die mit dem breiten Lächeln und dem flirtenden Blick nicht zusammenzupassen schien, zu dem diese Augen abgerichtet worden waren.
    Nach einem glücklicherweise kurzen Treffen mit Iqbal fotokopierte Gaby die vollständige Erklärung in dem winzigen Büro des Lodge Hotels und fuhr mit dem Van die Auffahrt hinunter, um sich den Presseleuten zu stellen. Sie schienen sich im Vergleich zum Vortag vermehrt zu haben, hinzu kamen mehrere Dutzend asiatischer Teenager, die in ihren Autos saßen, Hip-hop-Musik hörten und sich gegenseitig SMSs auf ihre Handys schickten. Woher sie gekommen waren (Glasgow?), wusste sie nicht, aber diese jungen Leute stifteten Chaos, machten hinter dem lokalen Nachrichtenreporter, der einen Beitrag in die Kamera zu sprechen versuchte, obszöne Gesten und fragten jeden, auch den nervösen Polizeibeamten, der vor dem Hoteltor Wache stand, ob sie nicht »Rajivbaba « oder »Leela Zee« gesehen hätten.
    Gabriella verteilte die Erklärung, mit der, wie nicht anders zu erwarten, die Korrespondenten sich natürlich nicht zufrieden gaben. Sie umringten Gaby drängelnd und schubsend, und jeder versuchte, sich als Erster mit seiner Bitte um ein Interview und Fotos Gehör zu verschaffen. Während sie mit ihnen zu Rande zu kommen versuchte, wurde sie von Jugendlichen am Ärmel gezupft, die verlangten, dass sie den beiden Stars Karten, Stofftiere und Fotos überbrächte. Nur ein Foto. Und dann drängte sich eine Inderin mittleren Alters nach vorn, die angezogen war, als nähme sie an einer Antarktisexpedition teil, das heißt mit Schal, Hut, Gore-Tex-Jacke und Wanderstiefeln. Sie stellte sich als die Showbiz-Chefreporterin der Zeitschrift Film Buzz vor und fragte, ob die »neuesten Gerüchte« stimmten.
    »Welche Gerüchte?«, fragte Gaby.
    »Dass Leela den Set verlassen hat.«
    »Nein, absolut nicht.«
    »Aber es ist doch nicht gedreht worden.«
    »Ich kann bestätigen, dass Miss Zahir aufgrund einer allergischen Reaktion auf einen Insektenstich leicht unpässlich gewesen ist. Die Dreharbeiten mussten unterbrochen werden, bis sie sich erholt hat, aber es ist nichts Ernstes. Sie geht sehr bald wieder an die Arbeit.«
    »Das muss aber ein sehr unangenehmer Stich gewesen sein. Vielleicht vom bösen Knaben Rajiv?«
    »Ich habe gehört«, improvisierte Gaby, »dass ihr Arm sehr geschwollen war.«
    »Und dieses ganze Virus-Theater ist nichts weiter als ein Reklametrick, habe ich Recht? Dahinter steckt Rocky Prasad, der das Interesse an seinem Film hochpuschen will.«
    »Wie Sie Miss Zahirs Presseerklärung entnehmen können …«
    »Na, das sähe ihm doch ähnlich, oder?«
    »Ich arbeite für Fox News«, mischte sich ein hoch gewachsener, blonder Mann mit nordamerikanischem Akzent ein. »Wir möchten mit der Kleinen reden.«
    Die Sun, Asian Age und die meisten anderen wollten das Gleiche.
    »Miss Zahir erholt sich im Moment und will keine Interviews geben.«
    »Aber ich bin von Fox«, sagte Fox ungläubig.
    »Wollen Sie definitiv behaupten, dass die Produzenten für das Computervirus nicht verantwortlich sind?«, fragte der Mann vom West Highland Advertiser, der sich sicher war, einen Riecher für Verschwörungen zu haben.
    »Natürlich sind sie das nicht.«
    »Quatsch«, sagte Ms. Film Buzz. »So was passiert in Mumbai alle Tage.«
    Andere Reporter begannen Gabriella über den Zusammenhang zwischen Computerverbrechen und indischer Filmabsatzförderung auszufragen. Die Fragen steuerten in eine unangenehme Richtung. Gaby versuchte gerade, die Sache wieder ins Lot zu bringen, als ihre Stimme vom Rumpeln eines V12-Motors und einem exaltierten hormonellen Kreischen übertönt wurde. Als sie sich umdrehte,

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